Noch bis vor Kurzem erschien dies schwer vorstellbar: Im Mai 2022 erreichte die Inflationsrate in der Bundesrepublik mit fast 8 Prozent ein neues Allzeithoch. In Folge von Lieferengpässen und exorbitant gestiegenen Energiekosten klettern die Preise auf breiter Front und in bisher ungekanntem Tempo – eine grundlegende Trendumkehr, geschweige denn eine Rückkehr zu stabilen Preisen ist derzeit nicht in Sicht. Da die Löhne bislang mit der Teuerung nicht Schritt halten, sinken die Reallöhne deutlich. Im August taxierte das Statistische Bundesamt das Minus bei den Reallöhnen auf 4,4 Prozent. Viele Haushalte stehen im Winter vor der Frage, ob sie Ihre Strom- und Gasrechnung noch bezahlen können. Zugleich treibt die Inflation die Produktionskosten der Betriebe nach oben, was unter Umständen sogar die Existenz mancher Unternehmen und der dort angesiedelten Arbeitsplätze gefährdet. Damit bergen explodierende Preise gleichermaßen ökonomischen wie sozialpolitischen Sprengstoff.
Die Bundesregierung versucht – wie schon in der Corona-Krise – mit milliardenschweren Entlastungspaketen entgegenzusteuern. Doch sind diese selbst nicht unumstritten. Wer soll überhaupt entlastet werden? Nur die ärmeren Haushalte oder auch die viel beschworene „arbeitende Mitte“? Inwieweit bedürfen auch Unternehmen, deren Geschäftsmodell durch exorbitante Preissteigerungen bedroht ist, der staatlichen Unterstützung? Und sind die Entlastungspakete in ihrer Wirkung ausreichend oder braucht es dauerhafte Entlastungen, weil die Inflation auch in den kommenden Jahren hoch bleibt? Und wie sollen die Entlastungen gegenfinanziert werden? Braucht es doch Steuererhöhungen oder eine Lockerung der „Schuldenbremse“? Last but not least: Sind die Pakete geeignet, den Inflationsdruck zu mindern oder verschärfen sie diesen eher?
Fraglich ist auch, wie sich die Inflation perspektivisch auf den Arbeitsmarkt auswirkt – und umgekehrt. Droht uns eine Phase der Stagflation wie Ende der 1970er und Anfang der 1980er Jahre – also eine Kombination aus hoher Inflation und stagnierendem Wachstum über mehrere Jahre hinweg? Wird es zu einer Pleitewelle kommen, die am Ende auch den Arbeitsmarkt in Mitleidenschaft zieht? Inwieweit soll die Europäische Zentralbank mit Zinserhöhungen reagieren – und damit möglicherweise auch eine Rezession in Kauf nehmen? Welche Rolle kommt den Tarifpartnern zu? Droht uns eine Lohn-Preis-Spirale, auch weil der Arbeitskräftemangel den Inflationsdruck zusätzlich befeuert? Oder erleben wir vielmehr eine Gewinn-Preis-Spirale, weil viele Unternehmen ihre Preise weit stärker erhöhen, als es der Anstieg ihrer Einkaufspreise rechtfertigt? Und wie kann eine neue Angebotspolitik am Arbeitsmarkt angesichts des Arbeitskräftemangels aussehen, welche dazu beiträgt, die Krise einzudämmen und die Reallöhne zu sichern?
Diese und weitere Fragen wollen wir mit Expertinnen und Experten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Arbeitsverwaltung diskutieren. Die Veranstaltung wird von der Bundesagentur für Arbeit — unter Federführung des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung — und der Stadt Nürnberg ausgerichtet.