Demographische Grenzen der Bildungsexpansion: Eine Modellrechnung zur künftigen quantitativen Entwicklung des Berufsbildungs- und Hochschulsystems
Beschreibung
"Die Bildungsexpansion der letzten Jahrzehnte hat in den alten Bundesländern praktisch alle Bereiche des Ausbildungssystems erfaßt. Ein weiteres ungebremstes Wachstum der Bildungsnachfrage würde allerdings in absehbarer Zukunft an demographische Grenzen stoßen. Mit Hilfe von Modellrechnungen bis zum Jahr 2020 (Westdeutschland) bzw. 2010 (Ostdeutschland) werden die möglichen Obergrenzen der künftigen Bildungsexpansion und deren Auswirkungen auf das Ausbildungs- und Erwerbssystem der Zukunft abgeschätzt. Als Referenzbasis dienen die Ergebnisse einer Status-quo-Variante. Die Ergebnisse für Westdeutschland zeigen, daß demographisch bedingte Einbrüche im beruflichen Ausbildungssystem zwar langfristig ausgeglichen werden könnten, allerdings mit einem erheblichen Rückgang der Erwerbsbeteiligung junger Altersjahrgänge der Bevölkerung verbunden wären. Die Eintritte in eine berufliche Erstausbildung (Lehre, Berufsfachschule) würden - gemäß der Maximalvariante - bis zum Jahr 2010 auf rund 900 000 ansteigen (1991: knapp 650 000), danach aber aus demographischen Gründen deutlich abnehmen. Die Zahl der Studienanfänger an Hoch- und Fachhochschulen würde - nach einem Rückgang in den 90er und einem allmählichen Anstieg in den folgenden Jahren - mit 260 000 (2015) wieder auf das Niveau zu Anfang der 90er Jahre ansteigen; anschließend ist auch hier, demographisch bedingt, eine Abnahme zu erwarten. Die Entwicklung der Absolventenzahlen folgt diesen Schwankungen mit entsprechender zeitlicher Verzögerung. Seit der Wiedervereinigung hat sich die Ausbildungslandschaft in den neuen Bundesländern gravierend verändert. Sie wurde im wesentlichen nach westlichem Muster neu strukturiert. Im Rahmen eines Anpassungsszenarios wird verdeutlicht, mit welchen Folgen zu rechnen wäre, wenn sich das Bildungs- und Ausbildungsverhalten der nachrückenden Jahrgänge innerhalb von 10 Jahren dem der alten Bundesländer angleichen würde. Die Berechnungen zeigen, daß dann erhebliche Anstrengungen notwendig sein dürften, um die entsprechenden Kapazitäten an Schul-, Ausbildungs- und Studienplätzen bereitzustellen. Die Zahl der Eintritte in die berufliche Erstausbildung würde sich bis zum Jahre 2001 verdoppeln und dann infolge des Geburteneinbruchs Ende der 80er/Beginn der 90er Jahre wieder sinken, läge aber in 2010 mit 124 000 immer noch über dem Ausgangsniveau 1991 (97 000). Der Geburtenrückgang seit 1988/89 wird sich erst nach dem Jahre 2010 gravierend auswirken. Die Entwicklung der Hochschulzugänge verläuft ähnlich: eine Verdoppelung von 31 000 (1991) auf 62 000 im Jahre 2001 und ein anschließender Rückgang auf 53 000 im Jahre 2010. Auf die Absolventenzahlen wirken sich diese Entwicklungen mit entsprechender Verzögerung aus." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Reinberg, Alexander, Günther Fischer, Cordula Schweitzer & Manfred Tessaring (1995): Demographische Grenzen der Bildungsexpansion: Eine Modellrechnung zur künftigen quantitativen Entwicklung des Berufsbildungs- und Hochschulsystems. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jg. 28, H. 1, S. 5-31.