Perspektiven einer kulturellen Evolution der Arbeit
Beschreibung
"Dieser Essay verlängert die in den siebziger Jahren bewußt gewordene "stille Revolution" (Inglehart) in den Wertorientierungen und Lebensstilen jüngerer und besser ausgebildeten Menschen in die Zukunft und fragt nach den Konsequenzen, die sich aus diesem Strukturwandel in den Lebensformen und -orientierungen für die Ansprüche an Erwerbsarbeit und die Gestaltung von Arbeitsbedingungen und Arbeitsinhalten ergeben können. Diese Projektion wird in drei Schritten entworfen und veranschaulicht.<br> Als Ausgangspunkt wird erstens gezeigt, wie der Fortschrittgedanke, der in der Bundesrepublik und den anderen westlichen Industriestaaten bis in die sechziger Jahre hinein selbstverständlich Geltung besaß, als eine Verzahnung individueller, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Zukunftsentwürfe gesehen werden kann.<br> Dies ändert sich zweitens erst dort, wo diese Fortschrittsharmonie sich aufzulösen beginnt und das, was als Inhalt, Ziel, Kriterium von "Fortschritt" gilt, mehr und mehr kontrovers beurteilt wird. Erst in diesem Stadium eines aufbrechenden Dissens persönlicher und gesellschaftlicher Zukünfte tritt überhaupt der Einfluß kultureller Erwartungen und Normen auf die Gestaltung von Wirtschafts- und Arbeitsprozessen erneut in seiner Bedeutung hervor.<br> Zum eigentlichen Durchbruch kommt drittens die kulturelle Evolution der Arbeit aber erst dort, wo die aufbrechenden Zukunftsgefährdungen einen Grad von Dringlichkeit und Unaufschiebbarkeit erhalten, der vergleichbar ist mit dem Druck, der sich aus der materiellen Verelendung breiter Teile der Arbeiterschaft im 19. Jahrhundert ergab. Erst in dem Maße, in dem die aufbrechenden Zukunftsfragen in gegenwärtige Existenzbedrohungen umschlagen, wie dies ansatzweise in Auseinandersetzungen um die Zerstörung der Umwelt, Entwicklung und Einsatz von Atomernergie und Atomwaffen hervortritt werden die Reichweite und das Veränderungspotential der "kulturellen Evolution" der Arbeit in ihrem ganzen Ausmaß sichtbar: Begriff und Kriterien von "Fortschritt" und "Modernität" beginnen sich selbst zu ändern und mit ihnen Inhalte, Ziele und Organisationsformen gesellschaftlicher Arbeit." (Autorenreferat)
Zitationshinweis
Beck, Ulrich (1984): Perspektiven einer kulturellen Evolution der Arbeit. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jg. 17, H. 1, S. 52-62.