Qualifikationen, Kompetenzen und Erwerbsverläufe
Projektlaufzeit: 01.07.2004 bis 31.12.2012
Kurzbeschreibung
Angesichts der aktuellen Diskussionen um die Bedeutung kognitiver Grundkompetenzen wie Lesen und Rechnen bei Kindern und Jugendlichen überrascht es, wie wenig empirische soziologische Studien es in Deutschland und international gibt, die sich mit der Bedeutung solcher Kompetenzen für berufliche Karrieren und Erwerbsverläufe Erwachsener befassen. An dieser Forschungslücke setzt das geplante Forschungsvorhaben an.
Ziel des Projekts ist es, Zusammenhänge von Bildungszertifikaten, kognitiven Grundkompetenzen und Erwerbsverläufen bei Erwachsenen in einer Längsschnittperspektive zu untersuchen. Das Projekt umfasst drei zentrale Fragestellungen: Sie umfassen erstens das Verhältnis von kognitiven Grundkompetenzen und formalen Zertifikaten bei verschiedenen Erwerbsgruppen, zweitens die Bedeutung von Kompetenzen im Vergleich zu formalen Bildungsabschlüssen für den Erwerbserfolg und deren je unterschiedlicher Einfluss im Erwerbsverlauf und drittens die Wechselwirkung zwischen Erwerbssituation, Bildungsbeteiligung und der Veränderung von Kompetenzen.
Theoretisch setzt das Forschungsvorhaben an humankapital- und signaltheoretischen Überlegungen an und greift deren konzeptionelle und empirische Lücken auf. Methodisch schließt es aus Gründen der Relevanz, der Operationalisierbarkeit und der Vergleichbarkeit unterschiedlicher Gruppen Erwachsener an das Kompetenzkonzept der Schulleistungsforschung an. Hier wird unter Kompetenz Grundbildung verstanden, also in erster Linie schulisch vermittelte kognitive Fertigkeiten und Wissen. In diesem Forschungszweig liegen breite Ergebnisse empirischer Forschung vor, so die internationalen Schulleistungsvergleiche PISA, TIMSS und IGLU, aber mit IALS und ALL auch zwei internationale Vergleichsstudien von Erwachsenen.
Der vorliegende Forschungsstand zu Kompetenzen Erwachsener bezieht sich denn auch fast ausschließlich auf diese beiden Datenquellen, daneben auch auf Studien aus dem US-amerikanischen Raum, in dem Leistungstests eine längere Tradition haben als in Europa. Deutschland hat sich nur an der IALS-Studie beteiligt; deren Daten sind jedoch bis heute unterausgewertet. Untersuchungen, die explizit Zusammenhänge zwischen Grundkompetenzen und Aspekten der Erwerbssituation untersuchen und eine konsequente Längsschnittperspektive einnehmen, fehlen bis heute auch international.
Ziel
Ziel des Projekts ist es, Zusammenhänge von Bildungszertifikaten, kognitiven Grundkompetenzen und Erwerbsverläufen bei Erwachsenen in einer Längsschnittperspektive zu untersuchen.
Methoden
Theoretisch setzt das Forschungsvorhaben an humankapital- und signaltheoretischen Überlegungen an. In beiden Theoriesträngen bleiben Lernprozesse an sich eine "black box". Dies hat zur Folge, dass zentrale soziologische Probleme in den Beziehungen zwischen Bildungsprozessen, Kompetenzerwerb und Erwerbstätigkeit nicht als Forschungsfragen diskutiert, sondern a priori als gegeben angenommen werden. Humankapital- und Signaltheorie machen theoretisch zwar unterschiedliche Aussagen zum Stellenwert von Zertifikaten und Kompetenzen, empirisch lassen sie sich jedoch kaum miteinander vergleichen, weil die Anwendungen beider Ansätze meist auf den gleichen eingeschränkten Indikatoren beruhen, mit denen Bildungszertifikate, Schulnoten oder die Dauer von Berufserfahrung und Betriebszugehörigkeit abgebildet werden, während Indikatoren für Kompetenzen meist fehlen. Auch Thesen zu differentiellen Einflüssen von Kompetenzen und Zertifikaten in unterschiedlichen Situationen im Erwerbsverlauf - Lernen und Verlernen auf der einen Seite und Information und Anerkennung auf der anderen Seite - sind widersprüchlich. Empirisch lassen sich solche Annahmen nur beantworten, indem beide Seiten, Zertifikate und Kompetenzen, abgebildet werden. Methodisch schließt das Projekt an das pragmatisch orientierte Kompetenzkonzept der Schulleistungsforschung an. Hier wird unter Kompetenz Grundbildung verstanden, also in erster Linie schulisch vermittelte grundlegende kognitive Fertigkeiten und Wissen wie Literalität (Lesen und Schreiben) oder "numeracy" (mathematische Fähigkeiten). Dieses Konzept hat mehrere Vorteile: Erstens sind kognitive Grundkompetenzen im Erwerbsleben von überaus großer Bedeutung , weil sie Zuweisungsprozesse auf dem Arbeitsmarkt und die Erwerbsmobilität beeinflussen. Zweitens sind die hier untersuchten Kompetenzdimensionen für breite und ganz unterschiedliche Gruppen der erwachsenen Bevölkerung relevant. Drittens liegen in diesem Bereich Ergebnisse breiter empirischer (Grundlagen-)Forschung vor, vor allem die bekannten internationalen Schulleistungsvergleiche wie PISA oder TIMSS, aber auch zwei internationale Vergleichsstudien Erwachsener (IALS, ALL). Diese Studien verfolgen einen ähnlichen Zugang zur Erfassung kognitiver Kompetenzen. Diese werden mit standardisierten Leistungstests gemessen, die so formuliert sind, dass eine aktive Anwendung und Übertragung der Kompetenz in alltagsnahen Bezügen gewährleistet ist. Aufgrund der empirischen Erfahrung in diesem Bereich liegen mittlerweile ausreichend validierte und getestete Instrumente für Lese- und Rechenkompetenzen Erwachsener vor. Nur mit solchen objektiven Messverfahren können schließlich die Kompetenzen unterschiedlicher Gruppen Erwachsener miteinander verglichen werden.
Erhebungstechniken:
Die inhaltlichen Schwerpunkte der Erhebung liegen einerseits auf der differenzierten Abbildung der Bildungs- und Erwerbsbiographien der Befragten und andererseits auf der Erfassung kognitiver Grundkompetenzen mittels Lese- und Mathematiktests. Die Untersuchung ist als Panelbefragung mit zwei Erhebungswellen im Abstand von vier Jahren konzipiert, die umfangreiche Retrospektiverhebungen zu Bildungs- und Erwerbsverläufen ebenso mit einbeziehen wie wiederholt durchgeführte Leistungstests. Das Design kombiniert diese beiden Bestandteile in Form computergestützter Telefoninterviews (CATI) und persönlicher Interviews (PAPI). Das CATI-Instrument bezieht aktuelle Weiterentwicklungen von Lebensverlaufserhebungen am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin ein. Für die Leistungstests zu Lese- und Mathematikfähigkeiten wird voraussichtlich auf Instrumente der internationalen ALL-Studie zurückgegriffen.
Auswertungstechniken:
Angewandt werden deskriptive und kausalanalytische statistische Verfahren, insbesondere Verfahren für Lebensverlaufsanalysen (Ereignisanalyse, Optimal Matching).