Weiterentwicklung eines sektoral tief disaggregierten Projektionsmodells
Projektlaufzeit: 11.07.1996 bis 30.06.2012
Kurzbeschreibung
Die aktuell erfolgte große Revision der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) seitens des Statistischen Bundesamtes macht eine Anpassung der Modellierung und damit auch der Datenbasis an die im Rahmen der VGR-Revision erfolgten Konzeptänderungen sowie die Neuschätzung des Modells zwingend notwendig.
Auch erfordern die aktuellen Entwicklungen am Arbeitsmarkt (Mini-, Midi-Jobs etc.) eine nach Wirtschaftszweigen differenzierte Einbeziehung der Arbeitsvolumenrechnung.
Ferner ist es aufgrund des derzeit für Langfristprojektionen noch sehr kurzen Referenzzeitraums unumgänglich, die Datenbasis des Modells, die der Schätzung der Parameter der Verhaltensgleichungen zugrunde liegt, laufend zu aktualisieren.
Ziel
Projektion des Arbeitskräftebedarfs global und nach Wirtschaftszweigen unter Berücksichtigung der gesamtwirtschaftlichen Kreislaufzusammenhänge
Methoden
Angesichts der derzeit beobachtbaren und zum Teil gravierenden Strukturveränderungen (Europäischer Binnenmarkt, EU-Osterweiterung und Globalisierung) ist eine Analyse der damit verbundenen sektoralen und gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen sowohl zur tief disaggregierten Projektion der zukünftigen Arbeitslandschaft als auch im Hinblick auf die Entwicklung alternativer gesamtwirtschaftlicher Szenarien dringend notwendig. Aufgrund der Komplexität der ökonomischen Realität kann dies mehr denn je nur unter Zuhilfenahme eines makroökonometrischen, tief disaggregierten Modells erfolgen. Projektionen der allgemeinen Wirtschaftsentwicklung gehören nicht zu den Kernaufgaben des IAB, so dass eine Kooperation mit externen Institutionen aus forschungsökonomischen Gründen sinnvoll ist. Eingehende Recherchen seitens des IAB haben 1996 ergeben, dass nur Prof. Dr. Bernd Meyer, Institut für Sektorale Wirtschaftsforschung (ISW), Osnabrück, ein solches sektoral tief disaggregiertes Prognosemodell für die Bundesrepublik Deutschland entwickelt hat. Seit 1996 besteht daher eine Zusammenarbeit mit diesem Institut, der Rechtsvorgängerin der Gesellschaft für wirtschaftliche Strukturforschung zur schrittweisen Entwicklung eines sektoral disaggregierten Analyse- und Projektionsmodells für den Arbeitsmarkt der Bundesrepublik Deutschland auf der Grundlage des von Prof. Meyer entwickelten Modells INFORGE (INterindustry FORecasting for GERmany).
Das Modell INFORGE ist ein nach 59 Produktions- bzw. Wirtschaftsbereichen gegliedertes Prognose- und Simulationsmodell. Die Anzahl der in einem Sektor beschäftigten Personen wird durch die Entwicklung des Output, der realen Arbeitskosten pro Kopf des jeweiligen Sektors sowie einen Zeittrend in einer doppel-logarithmischen Funktion bestimmt. Diese Spezifikation unterstellt eine limitationale Technologie, die sich durch technischen Fortschritt verändert: Dividiert man die linke und die rechte Seite der Funktion durch den Output, so erhält man auf der linken Seite den Arbeitsinputkoeffizienten, der mit steigendem Output, steigenden realen Arbeitskosten pro Kopf und mit dem Zeittrend fällt: Mit steigendem Output werden Lerneffekte wirksam, die den Arbeitsinputkoeffizienten reduzieren. Die realen Arbeitskosten pro Kopf messen den Einfluss des kostendruckinduzierten technischen Fortschritts, der negative Zeittrend den des autonomen technischen Fortschritts.
Die Determinanten der sektoralen Arbeitsnachfrage entwickeln sich im langfristigen Strukturwandel in den einzelnen Branchen höchst unterschiedlich. Entgegen weit verbreiteter Vorurteile ist deshalb bei einer disaggregierten Analyse die Qualität der Schätzungen und Prognosen besser als bei einem aggregierten System, das nicht in der Lage ist, diese strukturellen Unterschiede zu identifizieren.
Das Modell GINFORS ist Nachfolger des bei früheren Projektionen verwendeten Modells GLODYM, das in der Vorgängerversion die weltwirtschaftliche Entwicklung erklärt hat. Im Zentrum des Modells steht das bilaterale Handelsmodell. Für 25 Gütergruppen und für den Handel mit Dienstleistungen stehen bilaterale Handelsmatrizen für die OECD-Länder und weitere zehn wichtige Handelspartner der OECD zur Verfügung. Über diesen Handelszusammenhang werden sowohl Mengen als auch Preise den Ländern zugewiesen. Der ökonomische Kern eines Modells besteht aus dem Makromodell (MM) und dem Input-Output-Modell (IOM). Während Makromodelle für alle Länder von GINFORS vorliegen, sind Input-Output-Modelle nur für 25 Länder verfügbar. Die Volkswirtschaften der übrigen Länder werden allein durch ein Makromodell abgebildet.
INFORGE liefert an GINFORS die Import- und Exportpreisvektoren. Umgekehrt treiben die in GINFORS aus den Importnachfragen aller übrigen Länder ermittelten deutschen Exporte in US-Dollar die Exporte der 32 Gütergruppen in Euro. Auch für die Importpreisindizes ist das Vorgehen vergleichbar. Zusätzlich wird die Nachfrage nach deutschen Dienstleistungsexporten in Abhängigkeit von der Entwicklung in GINFORS an INFORGE geliefert. Umgekehrt wird die in INFORGE ermittelte Nachfrage nach ausländischen Dienstleistungen an GINFORS weitergegeben und dort zur Bestimmung der Dienstleistungsexporte der übrigen Länder verwendet. Der Wechselkurs Euro zu Dollar wird aus GINFORS an INFORGE übergeben. Damit ist INFORGE bezüglich der ökonomischen Wirkungen wie alle übrigen Ländermodelle des GINFORS-Systems voll integriert.
Das Modell weist einen hohen Endogenisierungsgrad auf. Die etwa 200 exogenen Variablen sind vor allem Instrumentvariablen der Fiskalpolitik wie die Steuersätze. Am Arbeitsmarkt ist mit dem Erwerbspersonenpotenzial das Arbeitsangebot exogen. Von den außenwirtschaftlichen Variablen sind allein die Wechselkurse für die Währungen der Länder exogen. Sämtliche anderen Variablen über weltwirtschaftliche Entwicklungen, die zur Bestimmung der deutschen Exporte notwendig sind, werden endogen im internationalen System bestimmt.