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Der deutsche Arbeitsmarkt gerät zunehmend unter Druck. Neben der hartnäckigen Konjunkturschwäche nimmt seit spätestens Ende 2023 der Einfluss von Transformationsproblemen auf die Entwicklung der Arbeitslosigkeit stark zu. Besonders betroffen ist die Industrie, die sich in einer tiefgreifenden Transformation befindet. Das zeigt eine Befragung der Arbeitsagenturen, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einer am Donnerstag veröffentlichen Studie ausgewertet hat.

Die Agenturen für Arbeit sehen zunächst konjunkturelle Ursachen für den Anstieg der Arbeitslosigkeit. Der Anteil der Agenturen, die die Konjunktur als einen der maßgeblichen Einflussfaktoren für den Anstieg der Arbeitslosigkeit angeben, stieg von 74 Prozent im Dezember 2021 auf 98 Prozent im Dezember 2024. Zuletzt gaben die Arbeitsagenturen jedoch vermehrt an, dass der Anstieg der Arbeitslosigkeit auf strukturelle Ursachen zurückzuführen sei. Dazu gehören sowohl Prozesse der Transformation wie Dekarbonisierung und Digitalisierung als auch regionale Besonderheiten wie Strukturprobleme und Betriebsverlagerungen. Beide Kategorien bewegten sich Ende 2021 im einstelligen Prozentbereich und stiegen bis Ende 2024 auf jeweils über ein Drittel. Der Anstieg setzte im Herbst 2022 ein und beschleunigte sich seit dem Herbst 2023 deutlich. „Eine kritische Gemengelage aus Konjunkturschwäche und Transformationsproblemen setzt den Arbeitsmarkt unter Druck“, sagt Enzo Weber, Leiter des Forschungsbereichs "Prognosen und gesamtwirtschaftliche Analysen" am IAB.

Auch die Beschäftigungsentwicklung leidet unter der Flaute. „Anders als es Meldungen über Stellenabbau großer Unternehmen suggerieren, bestimmt das bisher nicht das Arbeitsmarktgeschehen“, erläutert IAB-Forscher Christian Hutter. Es ist die Beschäftigung in kleineren Betrieben mit unter 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten, die seit Mitte 2022 sinkt. Mittlerweile liegt sie um 0,5 Prozent beziehungsweise 90.000 Personen unter dem Ausgangswert. Im Verarbeitenden Gewerbe sind es sogar -3,7 Prozent. Die Beschäftigung in den größeren Betrieben dagegen stieg  bis Mitte 2024 weiter an. „Der Schlüssel zum Aufschwung liegt in einer Erneuerung der Wirtschaft – über Investitionen, Innovationen, Gründungen und der Skalierung neuer Geschäftsmodelle“, betont Weber angesichts der strukturellen Ursachen sowie der Schwäche der kleineren Betriebe.

Seit zweieinhalb Jahren steigt die Arbeitslosigkeit in Deutschland, nur zu Beginn durch die Übernahme ukrainischer Geflüchteter in die Grundsicherung. Auch die Beschäftigung entwickelt sich seit Mitte 2024 noch verhaltener, als es die schwache Konjunktur alleine erwarten ließe. Die Ergebnisse beruhen auf den Angaben der 150 lokalen Arbeitsagenturen im Rahmen einer Befragung der Bundesagentur für Arbeit, auf der auch das IAB-Arbeitsmarktbarometer basiert. Bei der  Umfrage handelt es sich um eine Vollerhebung.

Die Studie ist abrufbar unter: https://www.iab-forum.de/konjunktur-und-transformation-die-kritische-gemengelage-am-arbeitsmarkt/.

Zwischen den Jahren 2005 und 2020 stieg die Zahl der Ausbildungsabbrüche im dualen Ausbildungssystem kontinuierlich. Der steigende Trend hat dabei eine regionale Komponente: Insbesondere im Nordosten und in der Rhein-Ruhr-Region sind die Abbruchquoten teils sehr hoch. Der Anteil der Auszubildenden, die im Jahr 2020 ihre Ausbildung abgebrochen haben, war beispielsweise in Pirmasens in Rhein-Pfalz mit 42,5 Prozent fast viermal so hoch wie in Eichstätt in Bayern mit 11,3 Prozent. Dies hängt nicht nur mit der unterschiedlichen Wirtschaftskraft, sondern auch mit Unterschieden in der Branchenstruktur zusammen. Das zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Landkreise mit hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Wirtschaftskraft weisen im Mittel eine höhere Abbruchquote auf als Landkreise und kreisfreie Städte mit niedrigerer Arbeitslosigkeit, vielen offenen Stellen und einer höheren Wirtschaftskraft. Die regionale Abbruchsquote steht ebenfalls in einem Zusammenhang mit der regionalen Branchenstruktur: Dort, wo beispielsweise überproportional viele Beschäftigte im Handwerk oder in der Finanz- und Versicherungsbranche arbeiten, sind im Schnitt auch die Abbruchquoten niedriger. Im Gegensatz dazu ist die Abbruchquote in Regionen tendenziell höher, die einen hohen Anteil anderer Dienstleistungsbranchen aufweisen wie Information und Kommunikation, wissenschaftliche und technische Dienstleistungen oder haushaltsnahe Dienstleistungen. Dies gilt auch für Regionen mit einem höheren Anteil an Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

„Es gibt keine typische Abbruchsregion“, fasst IAB-Forscherin Kerstin Ostermann die Ergebnisse zusammen. „Auch wenn Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit und niedriger Wirtschaftskraft höhere Abbruchquoten aufweisen, sind Ausbildungsabbrüche zugleich in Regionen wahrscheinlicher, die einen hohen Anteil an oftmals als zukunftsorientiert geltenden Branchen aufweisen.“

Die Studie beruht auf den Integrierten Erwerbsbiografien (IEB) des IAB, die auf Prozessdaten der Statistik der Bundesagentur für Arbeit basieren. Die Analysen beziehen sich ausschließlich auf Ausbildungsabbrüche im dualen Ausbildungssystem. Abbrüche von rein schulischen Ausbildungen sind nicht enthalten. Die Studie ist abrufbar unter: https://www.iab-forum.de/ausbildungsabbrueche-im-regionalen-vergleich-die-schere-geht-immer-weiter-auseinander/