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Ethikkodex des IAB

Präambel

Das IAB ist dem Ziel exzellenter wissenschaftlicher Forschung verpflichtet. Es bekennt sich zur guten wissenschaftlichen Praxis, zur Befolgung datenschutzrechtlicher Bestimmungen und zur Achtung ethischer Prinzipien bei der Durchführung empirischer Studien sowie beim Umgang mit den dabei genutzten Daten. In jedem Stadium des Forschungsprozesses – von der Formulierung der Forschungsfragen und der Konzeption der Studie über die Erhebung und Auswertung von Daten bis hin zur Interpretation, Verwertung und Veröffentlichung der Forschungsergebnisse – richtet sich das Streben des Instituts darauf, die Würde und Rechte der Untersuchungsgruppen zu garantieren.

Der vorliegende Ethikkodex formuliert ethische Leitlinien, die den Forschenden am IAB Richtschnur und Reflexionsquelle für die Entwicklung ihrer Projekte sein sollen. Der Kodex soll sie für ethische Probleme ihrer Arbeit sensibilisieren und sie ermutigen, ihr eigenes Handeln kritisch zu prüfen.

Dieser Ethikkodex lebt von einer fortlaufenden Reflexion und Anwendung durch die Forschenden und soll im Zuge der gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Entwicklung kontinuierlich fortgeschrieben werden. Ziel dabei ist es, als Gemeinschaft der Forschenden sensibel auf normative und ethische Anforderungen zu reagieren und auf diese Weise die gesellschaftliche Akzeptanz und Legitimität von unabhängiger und freier Forschung zu stärken.

Die Forschenden werden bei der Anwendung des Ethikkodex durch eine Ethikkommission des IAB unterstützt.

Fragen des Datenschutzes und der guten wissenschaftlichen Praxis sind nicht Gegenstand dieses Ethikkodex. Zu ihnen bestehen gesonderte gesetzliche und untergesetzliche Regelungen und Unterstützungsstrukturen am IAB.

§ 1 Verantwortung

  1. Jede und jeder Forschende trägt – im Rahmen ihres oder seines Wirkungskreises – Verantwortung. Diese erstreckt sich auf die Gesellschaft, in Forschungsstudien involvierte Personen, auf das Ansehen und Gedeihen der eigenen wissenschaftlichen Disziplin und der eigenen Forschungseinrichtung sowie – last but not least – auf sich selbst.
  2. In jedem Stadium des Forschungsprozesses sind Würde und Rechte der Untersuchungsgruppe zu wahren; im besonderen Maße gilt dies für Studienteilnehmende. Als Studienteilnehmende gelten (natürliche oder juristische) Personen, deren Lebensäußerungen, Verhalten, Eigenschaften oder Sichtweisen zum Gegenstand einer Datenerhebung oder wissenschaftlichen Auswertung gemacht werden, unabhängig davon, ob sie sich dieser Tatsache bewusst sind oder nicht. Personen oder Organisationen, deren Lebens- oder Organisationsvollzüge in prozessproduzierten Verwaltungskonten der Sozialversicherung oder vergleichbaren Datensammlungen abgebildet sind, sind keine Studienteilnehmenden.
  3. Die/der Forschende hat die Pflicht, ihre/seine Kenntnisse zur Forschungsethik weiterzuentwickeln. Hierzu können die regelmäßig im IAB angebotenen Qualifizierungen genutzt werden.

§ 2 Informiertes Einverständnis

  1. Von den Studienteilnehmenden muss ihr informiertes Einverständnis (informed consent) eingeholt werden, soweit dies in Bezug auf das geplante Forschungsprojekt möglich und angemessen ist.
  2. Die Erhebung des informierten Einverständnisses setzt die Bereitstellung einer für den jeweiligen Personenkreis verständlichen Information über die Forschungsmethodik, das Forschungsziel, den Nutzen und die Risiken des Vorhabens sowie die Verwendung der erhobenen Daten voraus. Die Abgabe der Einwilligungserklärung erfolgt freiwillig, das heißt ohne jeden Druck und Zwang. Die Teilnahmebereitschaft muss später widerrufen werden können, ohne dass hieraus negative Konsequenzen resultieren.

§ 3 Vulnerable Gruppen

  1. Die Rechte und Interessen von vulnerablen Gruppen müssen in besonderem Maße geschützt werden. Vulnerable Gruppen sind Personenkreise, die aufgrund ihrer körperlichen, geistigen oder seelischen Konstitution oder aufgrund ihrer besonderen sozialen Situation verletzlich (vulnerabel) sind. Ihre Vulnerabilität generiert Einschränkungen in der Realisierung ihrer Autonomie- und Handlungspotenziale sowie ihrer Selbstschutzressourcen. Im Kontext der Erforschung sozialer Sicherungssysteme ist als Auslöser von Vulnerabilität insbesondere auch an Not- und Extremsituationen zu denken, die nicht oder nicht wirksam durch die bestehenden Sicherungssysteme aufgefangen werden (z. B. Personen, die derzeit von Flucht betroffen sind oder Personen, die als drop-outs keine oder beschränkte wohlfahrtsstaatliche Leistungen beziehen).
  2. Die/der Forschende darf ihre/seine Forschung nur dann auf vulnerable Gruppen ausrichten, wenn das Forschungsziel nicht auf andere Weise erreicht werden kann.

§ 4 Physisches, psychisches und soziales Wohlbefinden

Die Forschenden müssen alles daran setzen, die Studienteilnehmenden keinen unnötigen physischen, psychischen oder sozialen Belastungen im Zuge der Datenerhebung auszusetzen. Die Studienteilnehmenden dürfen keinen Risiken ausgesetzt werden, die über das normale Lebensrisiko hinausgehen.

§ 5 Nutzen und Risiken der Forschung

  1. Nutzen und Risiken des Forschungsprojektes müssen vor seinem Beginn (soweit bereits bekannt) klar benannt und gegeneinander abgewogen werden. Für bereits absehbare Risiken muss die/der Forschende ausreichend Vorkehrungen treffen, um die Wahrscheinlichkeit des Eintretens und nach Eintreten den daraus erwachsenen Schaden möglichst gering zu halten.
  2. Die Forschenden müssen Nutzen und Risiken ihres Forschungsprojektes während seiner Durchführung regelmäßig überprüfen und auf Veränderungen reagieren.
  3. Die Freiheit der Forschung und Wissenschaft (Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz) kann in Konkurrenz treten zu anderen Grundrechten. Die/der Forschende ist sich dieses Spannungsverhältnisses bewusst und muss ihr/sein anvisiertes Forschungsvorhaben jeweils vor diesem Hintergrund prüfen.

§ 6 Statistische Diskriminierung

Sind die auszuwertenden Daten geeignet, Personen oder Personengruppen zu diskriminieren (z. B. durch Rückschlüsse von bestimmten Merkmalen der Stichprobe auf ihre Ausprägung in der Grundgesamtheit), so muss ein eventueller durch die Studie erwachsender Nachteil für diese Person(engruppe) abgewogen werden.

§ 7 Dokumentation

  1. Im Vorfeld einer empirischen Studie müssen die Forschenden diese im Hinblick auf forschungsethische Aspekte gemäß dem am IAB vorgesehenen Prozess überprüfen und dokumentieren.
  2. Die Sammlung, Aufbewahrung und Nutzung besonders sensibler Daten (insbesondere Biomarker und passive Smartphone-Daten) ist öffentlich zu dokumentieren, sofern diese personenbeziehbare Informationen enthalten. Dies kann zum Beispiel durch einen Methodenreport erfolgen. Für die Sammlung, Speicherung, den Zugang und die Verwendung solcher Datenbestände müssen klare und nach außen transparente Regeln formuliert werden.

§ 8 Inkrafttreten, Änderungen

  1. Dieser Ethikkodex tritt zum 01.02.2021 in Kraft.
  2. Änderungen an diesem Ethikkodex beschließt die Institutsleitung des IAB unter Beteiligung der Forschungseinheiten.

Leitlinien des IAB: Ethikkodex (PDF)