Der Anteil von Frauen an der Spitze privatwirtschaftlicher Betriebe in Deutschland lag 2020 bei 27 Prozent, das ist 1 Prozentpunkt mehr als 2018. Damit sind Frauen auf der ersten Führungsebene nach wie vor stark unterrepräsentiert, denn ihr Anteil an allen Beschäftigten in der Privatwirtschaft liegt bei 43 Prozent. Das zeigt eine am Dienstag veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Auf der zweiten Führungsebene sind Frauen in der Privatwirtschaft inzwischen fast ihrem Anteil an der Gesamtbeschäftigung entsprechend vertreten. Nach einem moderaten Anstieg bis 2016 stagniert der Anteil seitdem bei 40 Prozent.
Im Bereich Gesundheits- und Sozialwesen, Erziehung und Unterricht sind Frauen am häufigsten in Führungspositionen zu finden. Bei den Finanz- und Versicherungsdienstleistungen sind sie –gemessen an ihrem Beschäftigtenanteil – besonders schlecht vertreten.
Wirtschaftszweige, in denen viele Frauen arbeiten, wie etwa das Gesundheits- und Sozialwesen, waren von der Corona-Krise besonders oft negativ betroffen. Betriebe in diesen Branchen, zum Beispiel Kindertagesstätten oder Pflegeheime, werden häufig von Frauen geleitet. Damit trugen weibliche Führungskräfte oft eine besondere Verantwortung während der Pandemie.
Im öffentlichen Sektor ist der Anteil von Frauen auf beiden Führungsebenen höher als in der Privatwirtschaft. Mit Blick auf ihren Anteil an den Beschäftigten sind Frauen hier aber nicht besser vertreten als in der Privatwirtschaft, auf der zweiten Ebene sogar deutlich schlechter.
Der seit vielen Jahren relativ hohe Anteil von Frauen auf der zweiten Führungsebene in Betrieben und in der Verwaltung führte bislang nicht dazu, dass Frauen häufiger in Spitzenpositionen kommen. „Offensichtlich ist es nicht nur eine Frage der Zeit, bis genug Frauen Erfahrung auf der zweiten Führungsebene gesammelt haben und dann auch in die obersten Führungsetagen aufsteigen“, so Susanne Kohaut, kommissarische Leiterin des Forschungsbereichs „Betriebe und Beschäftigung“. „Möglicherweise ist das ein Ergebnis der in der Literatur berichteten „gläsernen“ Decken, die Frauen den Weg in Toppositionen versperren. Dazu zählen strukturelle Barrieren wie nicht standardisierte und wenig transparente Auswahlverfahren bei der Stellenbesetzung oder der fehlende Zugang zu karriererelevanten Netzwerken. Auch Stereotype, die Frauen bestimmte Verhaltensmuster wie eine geringere Karriereorientierung zuweisen, stellen weitere Hindernisse auf dem Weg nach oben dar“, ergänzt IAB-Forscherin Iris Möller.
„Die Erwartung, dass das 2016 eingeführte Gesetz für gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen für die Privatwirtschaft zu einer deutlichen Erhöhung des Frauenanteils auf oberster Ebene führt, wird nicht erfüllt“, berichtet Kohaut.
„Allerdings wurden auch keine verbindlichen gesetzlichen Vorgaben für hohe Managementpositionen festgelegt. Es wird nach wie vor auf Freiwilligkeit gesetzt, bislang ohne erkennbaren Erfolg. Mit dem neuen Führungspositionen-Gesetz sind erstmals Sanktionen bei Nichterreichung von Zielgrößen vorgesehen – ihre Wirkung bleibt abzuwarten“.
Die IAB-Studie ist online abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2022/kb2022-01.pdf