Eine Frage der Balance
Beschreibung
"Dieser Essay stellt die Frage, wie die Balance zwischen einer erweiterten Verantwortung einerseits und der dazu notwendigen Befähigung andererseits besser austariert werden kann als im reformierten Arbeitsförderungsgesetz (SGB III). Die Antwort erfolgt auf drei Ebenen: Wir stellen erstens fest, daß zwar die Konturen eines neuen Normalarbeitsverhältnisses noch nicht festgelegt sind, aber Übereinstimmung darin herrscht, daß die Beschäftigungsverhältnisse immer stärker variieren und die Beschäftigungssicherheit zunehmend von anpassungsfähiger Professionalisierung abhängt. Erhalt und ständige Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit werden somit zum Vorrangigen Ziel einer zukunftsfähigen Arbeitsmarktpolitik. Dieses Ziel kann nur durch eine Stärkung der Eigenverantwortung und durch eine breitere Kooperation der arbeitsmarktpolitischen Akteure erreicht werden. Dies erfordert zweitens organisatorische Reformen, die über die Ansätze im SGB III hinausgehen. Auf der Nachfrageseite leiten wir aus theoretischen Überlegungen größere Beteiligungsmöglichkeiten bei der Auswahl von Förderungsmöglichkeiten ab, und auf der Angebotsseite plädieren wir vor allem für eine stärkere Nutzung des Instruments wettbewerblicher Ausschreibung. Drittens prüfen wir die Finanzierungsseite, zu der die bisherige Reform noch gar nicht beigetragen hat. Auch hier ergeben sich aus theoretischer Sicht zwingende Gründe für eine stärkere Finanzierungsbeteiligung aus allgemeinen Steuermitteln; ein geregelter Bundeszuschuß zur Finanzierung der Aufgaben der Bundesanstalt für Arbeit wäre dafür ein taugliches Instrument. Das erweiterte Kooperationsmodell impliziert auch komplexe Kofinanzierungsmodelle, die sich im Prinzip an den jeweiligen Nutzen-Kosten-Relationen orientieren sollten. Da diese Relationen im Einzelfall schwierig festzustellen sind, sollten Verhandlungsspielräume für die Finanzierungsanteile eröffnet werden. Reformspielraum ergibt sich auch bei der Gestaltung der Arbeitgeberbeiträge zur Bundesanstalt für Arbeit, die stärkere Anreize für mehr Beschäftigung und laufende Anstrengungen zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit setzen muß. Wir plädieren sowohl für eine leistungsbezogene Bemessungsgrundlage der Beiträge als auch für eine variable Tarifstruktur, die deutliche beschäftigungspolitische Anreize setzt. Zu überlegen wäre schließlich eine Spaltung des Arbeitnehmerbeitrags in ein solidarisches und in ein weitgehend selbst bestimmbares Element, das zu mehr Eigenverantwortung in der Risikovorsorge befähigen sollte." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Rabe, Birgitta & Günther Schmid (1999): Eine Frage der Balance. Reform der Arbeitsmarktpolitik. In: E. Wiedemann, C. Brinkmann, E. Spitznagel & U. Walwei (Hrsg.) (1999): Die arbeitsmarkt- und beschäftigungspolitische Herausforderung in Ostdeutschland : Workshop der Bundesanstalt für Arbeit am 14./15. Oktober 1998 in Magdeburg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 223), S. 373-401.