Tendenzen und Bedeutung der Frauenerwerbstätigkeit heute und morgen
Beschreibung
Der erste Teil des Beitrages behandelt die bisherigen und zukünftigen Entwicklungstendenzen der Frauenerwerbstätigkeit. Bis 1970 waren in Westdeutschland die Frauenerwerbsquoten kaum höher als zu Anfang des Jahrhunderts. Nach 1970 stiegen jedoch insbesondere die Erwerbsquoten der verheirateten Frauen stark an. Vom gesamten Zuwachs des westdeutschen Erwerbspersonenpotentials 1979/90 in Höhe von fast 5 Millionen Personen entfielen fast 40 % auf die Verhaltenskomponente der Frauen. Das vermehrte Angebot an weiblichen Erwerbspersonen wurde vom Beschäftigungssystem relativ gut absorbiert. Begünstigt durch den Strukturwandel zu den Dienstleistungen erhöhten sich die Frauenanteile sowohl an der Anzahl der Beschäftigten als auch am Arbeitsvolumen. Nach den Projektionen des IAB ist in West- und Gesamtdeutschland zumindest bis 2010 mit einem weiter steigenden Angebot weiblicher Erwerbspersonen mittleren und höheren Alters zu rechnen, während das der Männer sinken dürfte. Die ostdeutschen Frauenerwerbsquoten, die in der früheren DDR fast denen der Männer entsprachen, werden allerdings im Zuge des Anpassungsprozesses an westliche Verhältnisse etwas zurückgehen. Aufgrund des prognostizierten Strukturwandels der Arbeitswelt werden nur noch die qualifizierten Tätigkeitsfelder wachsen, manche traditionellen einfachen Frauenarbeitsplätze zunehmend gefährdet.<br> Im zweiten Teil werden die Folgen dieser Tendenzen für Wirtschaft und Gesellschaft diskutiert. Aufgrund der erwartbaren Angebots- und Bedarfsentwicklung dürfte die Wirtschaft in Zukunft immer mehr darauf angewiesen sein, die Frauen voll in die personelle Ausbildungs-, Weiterbildungs- und Aufstiegsplanung zu integrieren und ihren Wünschen nach einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf beispielweise durch flexiblere, individuellere Arbeitszeiten entgegenzukommen. Unter den gegenwärtigen Bedingungen ist jedoch die Gefahr nicht von der Hand zu weisen, daß eine hohe Frauenerwerbstätigkeit zu sehr auf Kosten der Institution Familie und ihrer häufig gering geachteten und weit unterschätzten Leistungen für die Gesellschaft gehen kann. Tendenziell werden dadurch auch Kollektivierungstendenzen und Generationenkonflikte verschärft. Wenn eine Gesellschaft die individuelle Freiheit und Entfaltungsmöglichkeiten auf ihre Fahnen geschrieben hat, so kann nicht eine einzige Frauenrolle Leitbild für alle Frauen sein. Vielmehr müssen Bedingungen geschaffen werden, die Männern und Frauen gleichermassen ohne ernste Nachteile die Wahl sowohl zwischen der Erwerbstätigkeit als auch der häuslichen, familiären und ehrenamtlichen Tätigkeit als auch die Kombination der verschiedenen Tätigkeitsfelder erlauben. (IAB)
Zitationshinweis
Klauder, Wolfgang (1994): Tendenzen und Bedeutung der Frauenerwerbstätigkeit heute und morgen. In: P. Beckmann & G. Engelbrech (Hrsg.) (1994): Arbeitsmarkt für Frauen 2000 - Ein Schritt vor oder ein Schritt zurück? Kompendium zur Erwerbstätigkeit von Frauen (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 179), S. 45-72.