Die Verbindlichkeit von Lohntarifverträgen aus arbeitsmarkttheoretischer Perspektive
Beschreibung
"In diesem Beitrag wird zunächst das von den Kritikern der Verbindlichkeit von Tarifverträgen unterstellte einfache neoklassische Arbeitsmarktmodell dargestellt und daraus die Wirksamkeit von Lohnsenkungen zur Erhöhung des Beschäftigtenniveaus abgeleitet. Es wird gezeigt, daß dieser Lohn-Beschäftigungszusammenhang in Ungleichgewichtsmodellen und aus der Sicht der Effizienzlohn- und Insider-Outsider Thoerie nicht funktioniert. Die Effizienzlohntheorie betrachtet den Produktivitätsaspekt der Entlohnung, d.h. die mit höheren Löhnen verbundene Motivation und Auswahl der Beschäftigten und deren Gerechtigkeitsvorstellungen. Die Insider-Outsider Theorie stellt auf den Interessenkonflikt zwischen Arbeitsplatzinhabern als Insider und Arbeitslosen als Outsider ab. Beide Theorien liefern Argumente, die ein Eigeninteresse der Unternehmen und nicht, wie von einigen Flexibilitätsbefürwortern behauptet, der Tarifvertragsparteien an starren Lohnrelationen begründen. Darüber hinaus ignorieren die Konzepte der Lohnflexibilität weitgehend die Risiko-Aversion der Arbeitnehmer, die eine Stabilisierung ihrer Einkommensströme im Zeitablauf anstreben. Die Argumente der Rechtswissenschaft bewegen sich im Gegensatz dazu auf einer anderen Ebene. Hier stehen nicht Effizienz und Produktivität im Vordergrund, sondern die Schutzbedürftigkeit der Arbeitnehmer, die in einer Art Güterabwägung höher eingestuft wird als die u.U. positiven Beschäftigungswirkungen eines uneingeschränkten Lohnwettbewerbs." (Autorenreferat)
Zitationshinweis
Bellmann, Lutz & Knut Emmerich (1992): Die Verbindlichkeit von Lohntarifverträgen aus arbeitsmarkttheoretischer Perspektive. In: Jahrbuch für Sozialwissenschaft, Jg. 43, H. 2, S. 227-242.