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Publikation

Germanistik-Studenten: Ein Beispiel für gravierende Wandlungen im Hochschulwesen in den neuen Bundesländern

Beschreibung

"In der ehemaligen DDR gab es sogenannte 'Elitestudienrichtungen' (z.B. Kunst- und Kulturwissenschaften, Germanistik u.a.) und solche, die einen geringen Leumund (Pädagogik, Ökonomie u.a.) besaßen. In der DDR waren Elitestudienplätze oftmals mit weniger beliebten Fachrichtungen gekoppelt: Es gab einen 'reinen' Diplomstudiengang und einen, der z.B. zum Lehrerabschluß in einer Fächerkombination führte, wie auch in der Germanistik und bei den Deutsch-Lehrer-Fachkombinationen. Germanistik-Studenten zählten wegen der strengen Aufnahmekriterien zur geistigen und politischen Elite und ließen das ihre Kommilitonen in den Lehrerfachrichtungen, mit denen sie z.T. gemeinsam Lehre hatten, auch spüren. Nicht nur in den Leistungen zeigte sich, daß dieses Verhalten einen realen Hintergrund hatte, sondern auch im stärkeren fachlichen Engagement. Offensichtlich hatten sie aber auch am Fachbereich, durch eine entsprechend kreativ-offene Atmosphäre und den Studenten verbundene Lehrkräfte, bessere Voraussetzungen. Viele der heute Germanistik Studierenden hätten unter damaligen Bedingungen keinen solchen Studienplatz erhalten, denn es handelt sich bei den meisten um kritische, politisch aktive Studenten, die sich meist sehr stark vor der Wende in der DDR engagiert haben. Es sind überhaupt junge Menschen, die unverwechselbare Biographien hinter sich haben und nun die neuen Möglichkeiten des Studierens ausnutzen wollen: Die meisten streben einen Studienortswechsel in Richtung alte Bundesländer an, um dort ihren schon sehr konkret formulierten Spezialisierungen nachzugehen. Hinzu kommt, daß viele vom Studium und den neuen Möglichkeiten enttäuscht sind, weil sich vieles noch im Umbruch befindet. Im Zuge der Abwicklung vieler Bereiche im Hochschulwesen und der zögerlichen Neustrukturierung ist eine Wanderungsbewegung in Richtung Westen zu befürchten. Das ist ein Indiz dafür, daß die Studenten der neuen Bundesländer bereit und in der Lage sind, die neuen Möglichkeiten des Studierens zu nutzen, aber schon weiter sind als die Bedingungen, wie das Beispiel der Germanisten zeigt." (Autorenreferat)

Zitationshinweis

Gabriel, Birgit (1992): Germanistik-Studenten: Ein Beispiel für gravierende Wandlungen im Hochschulwesen in den neuen Bundesländern. In: M. Kaiser & H. Görlitz (Hrsg.) (1992): Bildung und Beruf im Umbruch. Zur Diskussion der Übergänge in die Hochschule und Beschäftigung im geeinten Deutschland (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 153.3), S. 56-60.