Wachsende Freiräume in der Gestaltung von Arbeitsorganisationen
Beschreibung
"Die Vorstellung einer funktionalen räumlichen und zeitlichen Determiniertheit aufgrund technischer und ökonomischer Gegebenheiten liegt ein großer Teil heute unter dem Begriff "Wirkungsforschung" zusammengefaßten Bemühungen um Prognosen und Aufklärung über die Folgen der technischen und organisatorischen Entwicklungen zugrunde und verdeckt - so die zentrale These dieses Beitrages - die im Verlauf der jüngsten technischen Entwicklung in den nächsten Jahren und Jahrzehnten zunehmenden Freiräume bei der Gestaltung von Arbeitsorganisation. Mit der Entwicklung des Mikroelektronikeinsatzes, der Informations- und Kommunikationstechniken bei einer Technisierung von Fertigung und Dienstleistung kommen neue Technologien zum Einsatz, die geeignet sind, den organisatorischen Spielraum für Arbeitsstrukturierung und Arbeitszeitgestaltung zu erweitern. Die derzeitigen Entwicklungstrends neuer Technologien haben in der Summe drei Wirkungsbereiche:<br> - zunehmende Substitution des Menschen in Teilbereichen niederer organischer Intelligenz und aus der Kombination konventioneller technischer Ausführungsfunktionen mit diesen technischen Intelligenzleistungen zunehmende Subtitutionen im Handhabungsbereich;<br> - zunehmende Entkopplung des Menschen vom Papier- und Materialfluß verbunden mit zunehmender Abhängigkeit vom Informationsfluß auf der Steuerungs- und Regelungsebene und kommunikative Vernetzung zwischen Personen und zwischen Personen und technischen Aggregaten;<br> - zunehmende Technisierung der informatorischen und kommunikativen Tätigkeiten.<br> Diese drei Wirkungen verschieben die traditionellen Rationalisierungsgrenzen, führen zu Änderungen der Arbeitsteilung und haben auf Grund der höheren Wirtschaftlichkeit erhebliche Folgen für die Organisationsgestaltung:<br> - Die neuen technischen Lösungsmöglichkeiten eignen sich zur Entkopplung von Mensch-Mensch- und Mensch-Maschine-Systemen. Ein großer Teil der klassischen Sachzwangargumentation gegen eine Flexibilisierung und Individualisierung in den Arbeitsverhältnissen wird damit hinfällig.<br> - Die technischen, organisatorischen und ökonomischen Voraussetzungen für eine weitgehende Entkopplung von industriegeschichtlich einmal für notwendig erachteten Zwängen liegend damit vor. Es bestehen beachtliche Optionen für eine Flexibilisierung von Arbeitsverhältnissen und eine Individualisierung von Arbeitszeitstrukturen, aber auch Produktionsprogrammen und damit zugleich für einen Wandel der Wirtschaftsstruktur.<br> - Ob diese Optionen genutzt werden können, hängt wesentlich davon ab, inwieweit es gelingt, die als Reaktion auf frühere technische und ökonomische Bedingungen entstandenen institutionellen Ordnungsmuster bei Gesetzgebern, Gewerkschaften und Arbeitgebern zu ändern." (Autorenreferat)
Zitationshinweis
Staudt, Erich (1984): Wachsende Freiräume in der Gestaltung von Arbeitsorganisationen. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jg. 17, H. 1, S. 94-104.