Wissenschaft und Praxis - Moeglichkeiten ihres Verhaeltnisses zueinander
Beschreibung
"Das Verhaeltnis zwischen sozialwissenschaftlicher Forschung einerseits (Wissenschaft) und jenen Stellen, die in Wirtschaft, Verwaltung und Politik ueber die Verwertung sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse entscheiden, andererseits (Praxis), ist nicht eindeutig festgelegt. Es gibt verschiedene Auffassungen darueber, wie dieses Verhaeltnis sein koennte bzw. sein sollte. Diese Auffassungen zu kennen und zu ihnen Stellung zu nehmen, erscheint wichtig, um im eigenen Arbeitsbereich Verhaltenssicherheit zu erlangen. Die naive Auffassung sieht Wissenschaft und Praxis als prinzipiell nebeneinander ablaufende Prozesse und ueberlaesst es dem Zufall, inwieweit sie sich gegenseitig aufeinander beziehen und befruchten. Die dezisionistische Auffassung betont eine wertfreie Wissenschaft, welche letzlich aber im Dienst der Praxis steht. Die technokratische Auffassung versteht die Wissenschaft als Entdecker gegebener Sachzwaenge und Regelmaessigkeiten, die die Praxis hinzunehmen oder zu vollziehen hat. Nach der humanizistischen Auffassung weist die Wissenschaft den Weg in die freie Gesellschaft der Zukunft und sagt der Praxis, was sie tun muss, um diesem Endziel naeher zu kommen. Eine weitere Auffassung betont die Doppelrolle des Wissenschaftlers als Helfer und Aufklaerer von Praxis. Die pragmatistische Auffassung schliesslich zielt auf eine unmittelbare, systematisch organisierte Verknuepfung von Wissenschaft und Praxis ab. Diese Auffassungen bestehen und wirken in unserer Gesellschaft z.Zt. nebeneinander. Es erscheint sinnvoll, auf ein Verhaeltnis von Wissenschaft und Praxis zuzustreben, bei dem Elemente der pragmatistischen Auffassung mit dem Gedanken der Aufklaerungsverpflichtung der Wissenschaft verknuepft sind.
Zitationshinweis
Bolte, Karl Martin (1971): Wissenschaft und Praxis - Moeglichkeiten ihres Verhaeltnisses zueinander. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jg. 4, H. 4, S. 356-365.