EU-Osterweiterung: Übergangsfristen führen zur Umlenkung der Migration nach Großbritannien und Irland
Beschreibung
"Im Zuge der Osterweiterung der Europäischen Union (EU) wurde die Entscheidung über die Anwendung von Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit an die einzelnen Nationalstaaten delegiert. Dies hat dazu geführt, dass eine Minderheit der alten EU-Mitglieder ihre Arbeitsmärkte unter Auflagen (Dänemark, Großbritannien und Irland) oder vollständig (Schweden) geöffnet hat, während die Mehrheit - so auch Deutschland - Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit in Anspruch nimmt. Ein Vergleich der Wanderungsbewegungen rund ein Jahr nach der Osterweiterung mit einem 'kontrafaktischen' Szenario, in dem die Einführung der Freizügigkeit in der gesamten EU für 2004 unterstellt worden ist, zeigt, dass sich die Zuwanderung aus den neuen Mitgliedstaaten mit rund 100 000 bis 150 000 Personen auf ein Drittel bis auf die Hälfte des bei Freizügigkeit zu erwartenden Wanderungspotentials beläuft und dass die unterschiedliche Anwendung der Übergangsfristen eine erhebliche Umlenkung der Migrationsströme bewirkt. Insbesondere in Großbritannien und Irland ist eine deutlich höhere Zuwanderung zu beobachten, als in dem Szenario unterstellt wird, während die Wanderung in die skandinavischen Länder den Erwartungen des Szenarios entspricht oder sogar hinter diesen zurückbleibt. In Deutschland ist die ausländische Bevölkerung aus den neuen Mitgliedstaaten nach den vorliegenden Informationen im vergangenen Jahr gesunken. Die Reduzierung der Migration durch die Übergangsfristen für die Arbeitnehmerfreizügigkeit führt nach Simulationsrechnungen zu erheblichen gesamtwirtschaftlichen Verlusten in der erweiterten EU. Am Ende könnte Deutschland von einer Umlenkung qualifizierter Migranten aus den neuen Mitgliedstaaten nach Großbritannien und in andere EU-Staaten negativ betroffen sein." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Brücker, Herbert (2005): EU-Osterweiterung: Übergangsfristen führen zur Umlenkung der Migration nach Großbritannien und Irland. In: DIW-Wochenbericht, Jg. 72, H. 22, S. 353-359.