"Stakeholder-Perspektiven auf die Berufsberatung im Erwerbsleben (BBiE). Ergebnisse einer qualitativen Studie"
Beschreibung
"Die im Folgenden vorgestellten Ergebnisse basieren auf einer qualitativen Studie zu der Frage, wie die Berufsberatung im Erwerbsleben (BBiE) der Bundesagentur für Arbeit (BA) in die Weiterbildungs(beratungs)landschaft in Deutschland eingebettet ist. Sie beleuchtet die Wahrnehmung der neuen Dienstleistung durch die BBiE-Berater*innen selbst sowie die Fremdwahrnehmung durch externe Stakeholder und zeigt die Debatten auf, die ihre Einführung im organisationalen Feld begleiten. Die BBiE stellt ein zentrales Beratungsangebot der BA dar und richtet sich an Erwachsene, die bei der beruflichen (Um-)Orientierung Unterstützung suchen, vor allem an Beschäftigte und Wiedereinsteigende. Für die Studie wurden im Jahr 2024 fünf Gruppendiskussionen mit BBiE-Beratungsfachkräften und Einzelinterviews mit ihren Teamleitungen sowie 29 Interviews mit regionalen und überregionalen Netzwerkbeteiligten und Stakeholdern der BBiE, wie beispielsweise Kammern, Bildungsträgern, Volkshochschulen (VHS), Ministerien oder Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften geführt, außerdem neun Interviews mit Betrieben. Die Interviews wurden qualitativ inhaltsanalytisch ausgewertet. Sowohl die befragten Stakeholder der BBiE als auch die BBiE-Teams selbst sahen das Beratungsangebot überwiegend positiv. Viele BBiE-Berater*innen hoben die inhaltlichen und prozessualen Gestaltungsmöglichkeiten hervor. Die meisten der befragten Berater*innen können ihre beraterischen Kenntnisse nach eigener Einschätzung voll einbringen und gut auf die unterschiedlichen Anliegen der Kund*innen eingehen. Allerdings brachte die Vielfalt der Beratungsanliegen auch Herausforderungen mit sich, für die die Berater*innen individuelle Lösungen finden mussten. Mehrheitlich waren sie mit ihrer Arbeit sehr zufrieden. Viele konnten nach eigener Einschätzung einen bedeutsamen Beitrag für die Entwicklung der beratenen Personen leisten. Ein großer Teil der befragten Berater*innen monierte allerdings die geringe Einbindung der BBiE in die internen Strukturen der Agenturen. Obwohl sie Arbeitsvermittlung, Reha und vor allem den Arbeitgeber-Service häufig als wichtige Netzwerkbeteiligte aufführten, sehen sie viele Unklarheiten in der inhaltlichen und organisatorischen Zusammenarbeit. Die Arbeit innerhalb der BBiE-Teams funktionierte aus Sicht der Berater*innen hingegen gut. Die BBiE wurde durch externe Stakeholder, die Kontakt zu ihr hatten oder Erfahrungen in der Zusammenarbeit hatten, in aller Regel als sinnvoll bewertet. Netzwerkarbeit spielte für die Arbeit der befragten externen Personen eine wichtige Rolle, wobei teilweise gar keine Zusammenarbeit mit der BBiE stattfand und das lokale BBiE-Team nur in wenigen Fällen eine zentrale Netzwerkpartnerin war. In Bezug auf die Einführung der BBiE äußerten viele der befragten externen Stakeholder, dass ihnen eine Einbindung fehlte. Die BA wurde mitunter als „Platzhirsch“ wahrgenommen, der bestehende Strukturen ignorierte. Neben der BBiE gibt es ein regional unterschiedlich breites Spektrum von öffentlichen und privaten Beratungsangeboten. Zum Teil wurde von überregionalen Stakeholdern die Vermeidung von Doppelstrukturen gefordert. Demnach sollten sich die unterschiedlichen Angebote ergänzen, statt sich gegenseitig Konkurrenz zu machen. Einige externe Stakeholder betonten aber auch, dass Doppelstrukturen nicht zwingend dysfunktional sein müssten, sondern dass ein pluralistisches Angebot wichtig sein könne, um unterschiedliche Personengruppen mit unterschiedlichen Wünschen und Vorstellungen zu bedienen. Im Umgang mit Doppelstrukturen im lokalen Umfeld unterschieden sich die Beratungsfachkräfte: Viele Berater*innen legten großen Wert auf eine gute Vernetzung und forcierten die Zusammenarbeit mit anderen Stellen. Einige wenige Befragte nahmen BA-externe Beratungsakteure hingegen kaum wahr. Manche der lokalen und überörtlichen Stakeholder äußerten Bedauern darüber, dass es bislang zu keinen Kooperationsgesprächen mit den BBiE-Teams oder ihren Leitungskräften gekommen sei, trotz Bemühungen von ihrer Seite. Umgekehrt berichteten aber auch einige BBiE-Berater*innen von mangelndem Kooperationswillen andererBeratungsinstanzen. In den wenigen Fällen, in denen eine enge Zusammenarbeit mit der BBiE stattfand, wurde diese von den lokalen Stakeholdern als sehr gewinnbringend beschrieben. Zu den Zielgruppen der BBiE gab es bei vielen befragten Stakeholdern teilweise unterschiedliche Auffassungen, aber auch allgemeine Unklarheit bzw. Unwissen über die spezifischen Zielgruppen der BBiE. Positiv wurde von einigen Befragten hervorgehoben, dass die BBiE verschiedensten Personengruppen offensteht, also nicht nur eine spezifische Zielgruppe anspricht. Auch bezüglich des Beratungsverständnisses bestanden Unklarheiten bzw. Unterschiede in der Erwartungshaltung. So wurde die BA als Institution von einigen Personen mit der Erwartung verbunden, dass ihr Beratungsauftrag streng am Ziel einer stärkeren Partizipation am Arbeitsmarkt ausgerichtet sein müsse, was eine ergebnisoffene Beratung erschwere. Damit , so wurde ausgeführt, war gemeint, dass von diesen Personen erwartet wurde, dass die BA eher dahingehend berät, aktuell freie Stellen zu besetzen oder gezielt in Berufe mit Fachkräftemangel zu beraten. Ergebnisoffene Beratung mit einem Fokus auf langfristige persönliche Interessen und Entwicklunsgmöglichkeiten der Beratenen wurde hingegen nicht erwartet. Im Gegensatz zu der Annahme dieser Personen betrachteten andere Stakeholder das Angebot als notwendigerweise ergebnisoffen. In den Interviews mit externen Befragten war das Image der BA ein zentrales Thema. Häufig sprachen diese Vorurteile und schlechte Erfahrungen der eigenen Klientel mit der BA an, die dazu führten, dass der Kontakt zur BA gemieden würde. Teilweise äußerten externe Stakeholder Zweifel, ob die BA ein Angebot wie die BBiE überzeugend umsetzen könne. Positiv der BBiE gegenüber eingestellte Befragte betonten jedoch die Bedeutung von „Vorschussvertrauen“ und forderten, der Organisation Zeit zu geben. Überregional tätige Befragte lobten den innovativen Ansatz der BBiE und sahen darin Impulse für einen kulturellen Wandel in der BA. Der BA wurde immer wieder exklusives Wissen über aktuelle Entwicklungstendenzen am Arbeitsmarkt zugesprochen, was sie grundsätzlich für eine Beratungsleistung wie die BBiE qualifiziere. Es wurde aber von einigen Stakeholdern auch hinterfragt, welchen Mehrwert die BBiE zusätzlich zu bestehenden Angeboten biete. Auch die Beratungsfachkräfte und ihre Leitungen schrieben der BBiE positive Aspekte mit Blick auf das Image der BA zu. So berichteten einige BBiE-Berater*innen von Personen, die nach einem Beratungsgespräch das Feedback gaben, dass das dieses – nach zuvor weniger guten Erfahrungen mit der BA – ihre Erwartungen deutlich übertroffen hätte. Die BBiE könnte hier als „positives“ Gesicht der Organisation nach außen fungieren." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Hartosch, Katja, Linda Heuer, Julia Lang & Angela Ulrich (2025): "Stakeholder-Perspektiven auf die Berufsberatung im Erwerbsleben (BBiE). Ergebnisse einer qualitativen Studie". (IAB-Forschungsbericht 22/2025), Nürnberg, 49 S. DOI:10.48720/IAB.FB.2522
