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Publikation

Arbeitslosenversicherung für Selbstständige: Wer kann sich (nicht) versichern?

Beschreibung

"Die Arbeitslosenversicherung auf Antrag bietet Gründerinnen und Gründern die Möglichkeit, sich gegen einen Verdienstausfall zu schützen. Allerdings nutzen nur sehr wenige Selbstständige das Angebot. In den vergangenen Jahren wurden weniger als 4.000 Versicherungen pro Jahr abgeschlossen – bei mehr als 200.000 Vollzeit-Gründungen jährlich. Das kann sowohl an mangelndem Interesse an der Versicherung liegen als auch daran, dass die Zugangsvoraussetzungen nicht erfüllt werden. Selbstständige, die sich versichern wollen, müssen bereits in der Arbeitslosenversicherung sein: Entweder, indem sie in der Zeit vor der Gründung für eine bestimmte Frist versichert waren oder, indem sie während einer Arbeitslosigkeit vor der Gründung Anspruch auf Arbeitslosengeld I durch Vorversicherungszeiten haben. In dieser Untersuchung wird mit Verlaufsdaten (Paneldaten) erstmals analysiert, inwieweit eine Nicht-Erfüllung der Zugangsvoraussetzungen die geringe Nutzungsquote erklären könnte. Die empirische Analyse zeigt, dass rund die Hälfte der Gründerinnen und Gründer die Möglichkeit hätte, die freiwillige Arbeitslosenversicherung abzuschließen. Etwa 23 Prozent erfüllen die Zugangsvoraussetzungen nicht. Bei den anderen 27 Prozent lässt sich die Zugangsberechtigung auf individueller Ebene nicht eindeutig ermitteln. Diese Personen sind oft Selbstständige, die nicht die nötigen Vorversicherungszeiten als abhängige Beschäftigte aufweisen, aber als Selbstständige versichert gewesen sein könnten. Unterstellt man bei diesen Selbstständigen die durchschnittliche Versichertenquote aller Selbstständigen, dann beträgt der Anteil der Personen ohne Zugang zur Versicherung rund 40 Prozent. Ausgehend von aktuell ungefähr 230.000 Gründungen pro Jahr entspricht das etwa 95.000 Personen, die ohne Möglichkeit zur Absicherung bleiben. Das betrifft vor allem gründende Studierende sowie schon zuvor Selbstständige, die neu gründen und sich bisher nicht freiwillig abgesichert hatten. Auch Personen mit geringer Bildung erfüllen überdurchschnittlich oft die Zugangsvoraussetzungen nicht. Eine Verkürzung der nötigen Vorversicherungszeit beziehungsweise eine Verlängerung des Zeitraums, in dem Vorversicherungszeiten anrechenbar sind, könnten mehr Menschen ermöglichen, die Versicherung zu beantragen. Allerdings sind die Effekte begrenzt. Selbst eine sehr großzügige Reform würde vermutlich mehr als ein Viertel der neuen Selbstständigen ohne Option zur Absicherung belassen. Von der Hälfte der Gründerinnen und Gründer, die die Möglichkeit zum Abschluss der Arbeitslosenversicherung haben, nutzen mehr als 90 Prozent von ihnen diese Option nicht. Die Gründe dafür können hier nicht genauer untersucht werden. Frühere Befragungen deuten allerdings darauf hin, dass viele Selbstständige das Gefühl haben, die Versicherung lohne sich nicht oder werde von ihnen nicht benötigt. Andere wiederum scheitern daran, sich, wie gefordert, in den ersten drei Monaten nach der Gründung zu versichern. Angesichts der niedrigen Nutzungsquote unter Personen, die eigentlich Zugang zur Versicherung hätten, scheint auch deren geringe Attraktivität ein Problem zu sein. Erfahrungen aus anderen europäischen Ländern, z. B. Schweden, belegen, dass eine deutlich höhere Nutzungsquote möglich ist. Allerdings wird die Arbeitslosenversicherung, sowohl für Selbstständige als auch für abhängig Beschäftigte, dort stark durch Steuermittel bezuschusst." (Autorenreferat, IAB-Doku)

Zitationshinweis

Granzow, Felix, Elke Jahn & Michael Oberfichtner (2022): Arbeitslosenversicherung für Selbstständige: Wer kann sich (nicht) versichern? (IAB-Forschungsbericht 19/2022), Nürnberg, 31 S. DOI:10.48720/IAB.FB.2219

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