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Publikation

Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan: Erfahrungen aus der Vergangenheit und erste Einschätzungen der Folgen für Migration und Integration

Beschreibung

"In Afghanistan ist nach dem Abzug der Truppen der Vereinigten Staaten und der Nordatlantischen Vertragsorganisation (US- und NATO-Truppen) sowie der Machtübernahme der Taliban eine starke Zunahme von Verfolgung, politischer Gewalt und Menschenrechtsverletzungen zu erwarten. Von den Beschränkungen politischer und persönlicher Freiheiten sind Frauen und Mädchen sowie ethnische und religiöse Minderheiten besonders betroffen. Zugleich kann die weitere Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage zu einer umfassenden Versorgungskrise der Bevölkerung führen. In der Vergangenheit haben Pakistan und der Iran rund 80 Prozent der in das Ausland geflüchteten Afghaninnen und Afghanen aufgenommen. Aufgrund veränderter geopolitischer Interessen, zunehmender wirtschaftlicher Probleme und wachsenden Widerständen in der Bevölkerung lehnen Pakistan und der Iran die weitere Aufnahme von Geflüchteten aus Afghanistan jedoch ab. Ähnliches gilt für die meisten zentralasiatischen Staaten der früheren Sowjetunion und China. Insofern ist nicht zu erwarten, dass die politische und humanitäre Krise in Afghanistan durch die Aufnahme von Geflüchteten in der Region sowie die finanzielle und technische Unterstützung der Nachbarländer durch die Vereinigten Staaten Amerikas (USA), die Europäische Union (EU) und andere Hocheinkommensländer entschärft werden kann. Zugleich sind die Fluchtrouten in die EU fast vollständig geschlossen, so dass nicht mit einem erheblichen Anstieg der Fluchtmigration nach Europa ähnlich wie im Jahr 2015 zu rechnen ist. Die EU, die USA und andere Hocheinkommensländer können deshalb nur durch die freiwillige Aufnahme von Personen, die besonderen Gefährdungen ausgesetzt sind, einen Beitrag zum Schutz vor Verfolgung und anderen Menschenrechtsverletzungen leisten. Zu solchen Maßnahmen gehören die Aufnahme von Ortskräften, die Aufnahme anderer besonders gefährdeter Personengruppen, die Erweiterung von Resettlement-Programmen sowie von Kontingenten für die Aufnahme von Afghaninnen und Afghanen. Theoretisch wie auch praktisch ist zu erwarten, dass durch Politikkoordination und eine faire Verteilung der Kosten der Aufnahme von Geflüchteten die Bereitschaft zur Aufnahme von Geflüchteten auch in den Nachbarregionen steigt. Bei der Aufnahme von Geflüchteten handelt es sich um eine humanitäre Aufgabe, die Kosten aufwirft. Diese Kosten hängen vom Erfolg und der Geschwindigkeit der Integration ab. In Deutschland haben sich die Geflüchteten aus Afghanistan ähnlich wie andere Geflüchtete in den Arbeitsmarkt integriert, obwohl ihre Voraussetzungen im Hinblick auf das Bildungsniveau beim Zuzug, den Ausgang und die Länge der Asylverfahren und den Zugang zu Integrationskursen und anderen Integrationsprogrammen schlechter waren. Zum Jahresende 2020 belief sich die Beschäftigungsquote der afghanischen Staatsangehörigen in Deutschland auf 40 Prozent, die der 2015 zugezogenen Kohorte dürfte etwas darüber gelegen haben. Die neu aufgenommenen Afghaninnen und Afghanen werden in Hinblick auf das Bildungsniveau, Deutsch- und Fremdsprachenkenntnisse bessere Voraussetzungen als die früher zugezogenen Schutzsuchenden mitbringen. Gleiches gilt für den Aufenthaltsstatus und den Zugang zu Integrationsprogrammen. Zudem ist die Integrationsinfrastruktur besser als beispielsweise 2015 ausgebaut und weniger Schutzsuchende konkurrieren um knappe Ressourcen. Vor diesem Hintergrund sind eine schnellere Integration in den Arbeitsmarkt und andere gesellschaftliche Bereiche sowie geringere Kosten der Integration zu erwarten." (Autorenreferat, IAB-Doku)

Zitationshinweis

Brücker, Herbert, Christoph Deuster, Tanja Fendel, Philipp Jaschke, Sekou Keita & Teresa Freitas Monteiro (2021): Nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan: Erfahrungen aus der Vergangenheit und erste Einschätzungen der Folgen für Migration und Integration. (IAB-Forschungsbericht 09/2021), Nürnberg, 72 S.

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