Orientierung an einem Branchentarifvertrag und die Rolle des Betriebsrats bei der Entlohnung
Beschreibung
"Seit den 1990er Jahren ist die Reichweite von Branchentarifverträgen in Deutschland rückläufig. Im gleichen Zeitraum wächst die Zahl der Betriebe, die sich an einem Branchentarifvertrag orientieren. In der Diskussion über die Erosion des deutschen Tarifsystems werden die formale Tarifbindung und die Orientierung an einem Tarifvertrag häufig als gleichwertig angesehen und die Anteile dieser Betriebe einfach addiert. Offen ist aber, was die Orientierung an einem Branchentarifvertrag für die betrieblichen Arbeitsbedingungen bedeutet. Wie eine ganze Reihe von Studien belegt, beeinflusst die Existenz eines Betriebsrats das betriebliche Lohnniveau und zwar abhängig davon, ob der Betrieb tarifgebunden ist oder nicht. Wir erweitern den Blick auf Betriebe, die sich an einem Branchentarif orientieren. Für unsere OLS-Lohnschätzungen (ordinary least squares) verwenden wir einen Datensatz, der Betriebs- und Individualinformationen auf Personenebene verknüpft (LIAB). Die verschiedenen institutionellen Settings in ihrer Kombination mit dem Betriebsrat finden mit entsprechenden Interaktionstermen Berücksichtigung. Wie sich zeigt, bleibt das bereinigte Lohnniveau in Orientiererbetrieben deutlich hinter dem in branchentarifgebundenen zurück. Die Orientierung an einem Branchentarif ist somit kein Ersatz für eine formelle Bindung. Existiert in diesen Betrieben ein Betriebsrat, so sind auch dort signifikant höhere Löhne zu beobachten, wobei der Lohnzuschlag aber hinter dem bei Geltung eines Branchentarifvertrags zurückbleibt." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Ellguth, Peter & Susanne Kohaut (2020): Orientierung an einem Branchentarifvertrag und die Rolle des Betriebsrats bei der Entlohnung. In: Industrielle Beziehungen, Jg. 27, H. 4, S. 371-388.