Diskontinuierliche Erwerbskarrieren und Berufswechsel in den 1990ern
Beschreibung
"Eine verbreitete These geht davon aus, dass sich infolge des sozioökonomischen Wandels der Industriegesellschaften zum einen der um die Erwerbsarbeit zentrierte "Normallebenslauf" auflöst und dass zum anderen der Beruf seine institutionelle Stabilität und damit seine Bedeutung für die Erwerbstätigkeit und als Orientierungsgröße in der Biografiegestaltung verliert. Wenn es auch Konsens ist, dass sich die Erwerbsarbeit in ihrer Gestalt ändert, so ist doch empirisch noch nicht hinreichend geklärt, wie weit diese Veränderungsprozesse fortgeschritten sind und wie stark sie sich in den Lebensverläufen niederschlagen. Mit diesen Konsequenzen des Wandels für Lebensläufe sowie berufsbiografische Thematisierungen und Gestaltungsweisen beschäftigt sich der Beitrag. Anhand einer quantitativen Längsschnittuntersuchung mit einer Kohorte junger Fachkräfte, deren berufliche Entwicklung vom Lehrabschluss 1989/90 bis ca. acht Jahre nach Beendigung der Berufsausbildung verfolgt wurde, wird am Beispiel von sechs der häufigsten Ausbildungsberufe mit unterschiedlichen Arbeitsmarktchancen gezeigt, dass sowohl unterbrochene Erwerbsverläufe als auch Berufswechsel keine Ausnahmeerscheinung darstellen, sondern zur Normalität geworden sind. Allerdings ist Diskotinuität nicht per se mit Instabilität oder Prekarität gleichzusetzen, und bis zu einem gewissen Grade sind Erwerbsverläufe wie auch Berufswechsel nach wie vor beruflich bestimmt. Auf der Basis qualitativer Längsschnittdaten, die mit einem Sub- Sample des quantitativen Panels erhoben wurden, werden diskontinuierliche Erwerbsverläufe und Berufswechsel aus subjektbezogener Perspektive untersucht. Dabei wird zum einen deutlich, dass auch die verschiedenen Formen der Interpretation und Gestaltung von Diskontinuität zum Teil beruflich geprägt sind und dass für junge Erwachsene mit diskontinuierlichen Erwerbskarrieren die Erwerbsarbeit eine hohe subjektive Relevanz behält. Zum anderen zeigt sich, dass einem Berufswechsel in den meisten Fällen der Aufbau einer neuen beruflichen Orientierung vorausgeht, dass somit dem Beruf eine hohe subjektive Bindekraft zukommt. Das Berufskonzept - so lautet das Resümee - hat als Erklärungspotenzial für Erwerbsverläufe und in seiner Orientierungsfunktion für junge Erwachsene nach wie vor einen hohen Stellenwert." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Schaeper, Hildegard, Thomas Kühn & Andreas Witzel (2000): Diskontinuierliche Erwerbskarrieren und Berufswechsel in den 1990ern. Strukturmuster und biografische Umgangsweisen betrieblich ausgebildeter Fachkräfte. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Jg. 33, H. 1, S. 80-100.