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Projekt

Bürgergeldeinführung als diskursives Ereignis?

Projektlaufzeit: 01.01.2025 bis 31.12.2028

Kurzbeschreibung

Auf der Homepage der Bundesregierung der Bundesrepublik Deutschland (bundesregierung.de) wird das zum 01.01.2023 eingeführte Bürgergeld als neue Grundsicherung wie folgt dargestellt: „Die staatliche Hilfe ist nun bürgernäher, unbürokratischer und zielgerichteter. Menschen in der Grundsicherung werden besser qualifiziert und damit in dauerhafte Jobs vermittelt. Außerdem wurde die Berechnung der Regelbedarfe auf eine neue Grundlage gestellt.“ Denkt man zurück an die mediale Berichterstattung um die Gesetzeseinführung in den letzten Monaten 2022, wurde insbesondere die Erhöhung des Regelbedarfs (kritisch) diskutiert beziehungsweise als relevanteste Änderung der Neuausgestaltung der Grundsicherung dargestellt. In Gesprächen mit Vermittlungsfachkräften der Jobcenter werde derartige Beurteilungen dagegen als Bewertung ihrer früheren Arbeit gelesen und in einer Weise ausgedeutet, als würden ihre professionellen Bemühungen nicht wertgeschätzt. Leistungsberechtigt deuten, wenn man Vermittlungsfachkräften folgen will, ihre als neu gelesenen Rechte vornehmlich dahingehend aus, dass sie von Vermittlungsfachkräften nicht mehr zu spezifischen Handlungen gezwungen werden dürfen. Manche von ihnen fordern die bekundeten Rechte auch tatsächlich ein, für andere – insbesondere denjenigen, den dieses Wissen, um die neuen Rechte fehlt – hat sich laut eigener Aussage nichts verändert. Es scheint sich bereits anzudeuten, dass die „größte Sozialreform seit 20 Jahren“ – von den unterschiedlichsten Seiten – nicht als derart (be)deutungsschwer, wie sie intendiert wurde, erlebt wird. Stattdessen bekunden die einen, sie ginge nicht weit genug, die anderen bekräftigen, schon immer nach den intendierten Maximen zu arbeiten und wieder andere wünschen sich immer noch einen anderen (gesellschaftlichen) Umgang mit Leistungsberechtigten der Grundsicherung. Bei diesen und weiteren (Selbst-)Positionierungen greifen Subjekte auf gesellschaftliche, oder eben diskursive Konstruktionen der sozialen Wirklichkeit zurück. Diese diskursiven Zuschreibungen, etwa mit Bezug auf Gerechtigkeit, der Relevanz einer Erwerbsarbeit, den Pflichten von Menschen ohne Arbeit, den Eingriffsrechten des Staats in die Lebensverläufe dieser Menschen etc. prägen damit ebenfalls die Positionierung zum Bürgergeld. Das hier vorgeschlagene Projekt will daher ausleuchten, wie es zu derartigen, unterschiedlichen Deutungen kommt. Es fragt nach: ... Grundlagen auf denen derartige Ausdeutungen der (neuen) Grundsicherung erfolgen. ... der Veränderung des Diskurses um die Grundsicherung von der Einführung der Hartz-Gesetze bis zur Einführung des Bürgergeldes- ... Veränderungen der Deutungszuschreibungen (und darauf fußenden Praktiken) bei der Umdeutung der Sanktionen zu Leistungsminderungen? ... lebensweltlichen Hintergründen, die die Bewertung der neuen Grundsicherung anleiten. ... Konsequenzen einer (etwaigen) Diskursverschiebung im Anschluss an die Gesetzesreform (als diskursives Ereignis) für Machtverhältnisse (etwa mit Blick auf stereotypische Vorurteile auf der Straße, in der Beratungssituation im Jobcenter oder auch zwischen den Leistungsberechtigten und den oft herangezogenen Steuerzahlenden?)

Ziel

Rekonstruktion legitimer Ausdeutungsmöglichkeiten gesellschaftlicher Wirklichkeit der Grundsicherung. Dies schafft die Grundlage zur Rekonstruktion der Subjektivierungsweisen dieser Diskurspositionen. Damit wird die Frage nach den Umgangsmöglichkeiten der Leistungsberechtigten mit den diskursvien Deutungsangeboten sowie den darauf aufbauenden Selbstverhältnissen beantwortet.

Methoden

Um dies leisten zu können, wird im Rahmen des Projektes der Grundsicherungsdiskurs im Anschluss an die wissenssoziologische Diskursanalyse (WDA) als Summe der Wissensverhältnisse rekonstruiert, die auf die „Genese, Zirkulation, Legitimation und Machteffekte von Diskursen sowie auf die Transformation von gesellschaftlichen Wissensverhältnissen in unterschiedlichen zeiträumlichen Kontexten fokussieren“ (Keller & Bosančić 2018) und als diskursive Konstruktion der Grundsicherungswirklichkeit analysiert. Es geht also um mehr als eine bloße Text- und Inhaltsanalyse, denn Diskurse konstruieren „Materialitäten, Praktiken, gesellschaftliche Wissensordnungen und menschliche Selbstverhältnisse – und sie werden gleichzeitig dadurch bzw. darin (re-)produziert“ (Bosančić & Keller 2016). Darüber hinaus wird eine derartige Diskursforschung in Anschluss an Foucault als eine Analyse von Machtfragen begriffen (Keller, Schneider, Viehöver 2012). Bei dieser Analyse greift die WDA auf Argumente dreier Theorietraditionen zurück: „Michel Foucaults Diskurs-, Dispositiv- und Macht/Wissen-Konzepte, US-amerikanischer Pragmatismus und Symbolischer Interaktionismus sowie Alfred Schütz‘, Peter L. Bergers und Thomas Luckmanns Theorie der Wissenssoziologie.“ (Keller & Bosančić 2018). Diese Forschungsperspektive ermöglicht es, die diskursive Wirklichkeit des Grundsicherungsdiskurses zu rekonstruieren und so die darin zirkulierenden Deutungsmöglichkeiten sowie deren Subjektivierungsweisen zu analysieren.

Leitung

01.01.2025 - 31.12.2028