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Projekt

Organisationsreform der Arbeitsämter und neue Maßnahmen für Arbeitssuchende: Soziale Ungleichheit und Partizipationschancen Betroffener

Projektlaufzeit: 01.02.2005 bis 30.06.2007

Kurzbeschreibung

Im Mittelpunkt aktueller arbeitsmarktpolitischer Debatten steht die Einführung des Arbeitslosengeldes II ("Hartz IV"). Die seit etwa zwei Jahren in Angriff genommenen Reformen der Arbeitsmarktpolitik reichen jedoch viel weiter. Zu nennen sind hier einerseits die organisatorischen Voraussetzungen (Umstrukturierung der BA, Zusammenlegung der früheren Alhi und der Sozialhilfe auch in der Betreuung des Betroffenenkreises durch ARGEn bzw. 'optierende Kommunen/ Kreise'), die für einen stärker vermittlungsorientierten Umgang mit Arbeitslosen bzw. Arbeitssuchenden geschaffen werden sollen. Auf der anderen Seite wurden auch (neben weiterbestehenden älteren) zahlreiche neue bzw. modifizierte Instrumente 'aktiver' Arbeitsmarktpolitik wie Eingliederungsvereinbarungen, Bildungsgutscheine, Vermittlungsgutscheine für private Arbeitsvermittler, PSA, 'Ich-AG', Vermittlung in Arbeitsgelegenheiten ('1-Euro-Jobs'), usw., geschaffen und gleichzeitig die Dauer und die Höhe von Lohnersatzleistungen eingeschränkt, um so zusätzliche Anreize zur Arbeitsaufnahme zu schaffen.

Die Reformen werden umfassend mit Blick auf Effektivität und Effizienz evaluiert. Es fehlen jedoch Untersuchungen, die mögliche ungleichheitsverstärkende oder -reduzierende Effekte der Reformen, sowie mit ihnen einhergehende Veränderungen sozialer Rechte genauer in den Blick nehmen. Das vorliegende Projekt soll hierzu einen Beitrag leisten.

Das Projekt untersucht die Reformprozesse aus ungleichheits- und rechtssoziologischer Sicht. Es wird damit einen Beitrag zur Beurteilung und Bewertung des gegenwärtigen Umbaus von Sozialpolitik und des Staatsverständnisses (als aktivierender , gewährleistender Staat, aber auch workfare state usw.) leisten.

Das Projekt ist explorativ und arbeitet in strukturell ausgewählten Regionen schwerpunktmäßig mit qualitativen Methoden (s.u.).

Mit seinen inhaltlichen und methodischen Schwerpunkten ergänzt das vorliegende Projekt die laufenden Hartz-Evaluationen , namentlich Arbeitspaket 1, Modul 1a (Neuausrichtung der Vermittlung, Auftragnehmer WZB und infas) sowie Arbeitspaket 2 (Umbau der Bundesagentur für Arbeit, Auftragnehmer iso Saarbrücken und Peter Ochs Organisationsberatung). Diese Untersuchungen konzentrieren sich auf die Evaluation der neuen Strukturen und Prozesse hinsichtlich der Effektivität und Effizienz des Ressourceneinsatzes. Im vorliegenden Projekt geht es hingegen um einen wichtigen Teilaspekt, nämlich um das Zusammenwirken der Klassifikationsprozesse durch Arbeitsvermittler bzw. Fallmanager mit den Handlungsstrategien und Handlungsressourcen des betroffenen Personenkreises nach SGB III (und später gegebenenfalls SGB II). Die Untersuchung fasst also unter einem spezifischen theoretischen Fokus gezielt die Schnittstelle zwischen dem (in sich vielfach neue herausbildende Organisationsziele undabläufe eingebetteten) Expertenwissen der Mitarbeiter der Agenturen für Arbeit bzw. der ARGEn und den Handlungsressourcen (oder deren Fehlen) arbeitsloser Personen ins Auge.

Anders als viele Projekte, die sich mit der Wirkung einzelner Maßnahmen befassen, befasst sich das Projekt also mit der Frage, wie die Arbeitsvermittler aus der Vielzahl von Maßnahmen jene auswählen, die sie Arbeitslosen empfehlen oder auferlegen, und wie die Arbeitslosen mit diesen Empfehlungen (oder auch der Tatsache, dass bestimmte Maßnahme nicht empfohlen werden) umgehen und was gegebenenfalls ihre eigenen Handlungsstrategien sind, die diesen Empfehlungen entsprechen oder 'zuwiderlaufen'.

Ziel

Verstärken oder reduzieren die organisatorischen Reformen der Arbeitsverwaltung Ungleichheiten? Wie wirken sich die Reformen auf die sozialen Rechte der Betroffenen aus?

Methoden

Die Untersuchungsthematik soll angesichts des weitgehend fehlenden Wissens über die relevanten Dimensionen sowohl auf der Seite der Arbeitsvermittler/Fallmanager als auch auf Seiten der Arbeitslosen mit qualitativen Forschungsmethoden bearbeitet werden (Leitfa-deninterviews mit biografisch-narrativen Anteilen bei den Arbeitslosen). Damit sollen zunächst standardisierte Verfahren, wie sie in vielen Projekten der Hartz-Evaluation eingesetzt werden, ergänzt werden; Eine solche Ergänzung hat sich in vielen Bereichen in den Sozial-wissenschaften inzwischen als fruchtbar herausgestellt. Im übrigen kann auch eine Forschungsstrategie, die vorrangig auf die Analyse von Massendaten setzt, qualitative Projekte nicht gänzlich ausschließen, und zwar nicht nur wegen des schon erwähnten explorativen Charakters der Untersuchung, sondern weil wichtige Wirkungsbeziehungen anders gar nicht ermittelt werden können.

Im übrigen könnte (bei baldigem Beginn des Projekts) ein Transfer aus den qualitativen (Erst-)Befunden in das geplante SGB-II-Haus-haltspanel stattfinden; insofern können (und sollen) aus den qualitativen Befunden auch Möglichkeiten der standardisierten Überprüfung entwickelt werden.

Grundgesamtheit sind die Mitarbeiter im Bereich Arbeitsvermittlung in den Agenturen für Arbeit und den ARGEn einerseits, der von die-sen betreute Personenkreise nach SGB III bzw. SGB II andererseits. (Aus Gründen des [eingeschränkten] Zugangs werden Agenturbe-zirke mit optierenden Kreisen/Kommunen nach §§ 6a, 6b SGB II außer Acht gelassen). Angesichts der anzuwendenden Forschungs-methoden ist jedoch eine Zufallsstichprobe nicht zweckmäßig.

Daher wurden unter strukturellen Gesichtspunkten (v. a. Regionstypen, Blien et al. 2004) sowie im Hinblick auf die Umsetzung der Orga-nisationsreform (Umstellung auf KuZ), bereits laufende oder geplante Implementationsstudien (soweit bekannt) sowie den Feldzugang für die mit den Interviews zu betrauenden Projektmitarbeiter des IAB in Arbeitsagenturen zunächst folgende Agenturbezirke ausgewählt::

  • Ansbach
  • Bonn
  • Bremerhaven
  • Essen
  • Heide
  • Landshut
  • Neuruppin
  • Pirmasens
  • Sangerhausen
  • Schwäbisch-Hall
  • Schwerin

Die Agenturen werden durch ein mit PP der Zentrale abzustimmendes Schreiben des IAB um Mitwirkung gebeten. Vorgesehen ist jeweils die Befragung von 6-8 Mitarbeitern auf unterschiedlichen Hierarchiestufen sowie eine etwa gleiche Anzahl von Arbeitslosen.Die Untersuchung ist ferner als Panelstudie anzulegen, um Veränderungsprozesse sowohl in den Agenturen für Arbeit (und gegebenen-falls ARGEn) als auch bei den Arbeitslosen in den Blick zu bekommen. Da sich die Reformprozesse in den nächsten Monaten und Jah-ren fortsetzen werden (in den nächsten Monaten: Umstellung auf KuZ, Einführung der Handlungsprogramme), ist es auf jeden Fall erfor-derlich, deren Umsetzung durch die Agenturen bzw. ARGEn mittels Befragungen zu späteren Zeitpunkten zu verfolgen; dadurch können auch wichtige Aufschlüsse über die Möglichkeiten und Grenzen organisatorischen Wandels gewonnen werden. Bei den Arbeitslosen steht die Frage nach dem Erfolg oder Misserfolg ihrer Handlungsstrategien sowie deren möglichen Änderungen im Zeitverlauf im Vor-dergrund; ebenfalls von Bedeutung sind (zu Beginn der Arbeitslosigkeit) die Antizipation eines möglichen Wechsels von SGB III nach SGB II (also die Frage, ob Arbeitslose die Aussichten auf die [reduzierten und bedarfsgeprüften] Leistungen nach SGB II als zusätzlichen Anreiz zu einer schnellen Arbeitsaufnahme wahrnehmen) sowie im Zeitverlauf (bei Fortbestehen der Arbeitslosigkeit) die Wahrnehmung und die faktischen Auswirkungen eines tatsächlich vollzogenen Wechsels.

Leitung

Jutta Allmendinger
01.02.2005 - 30.06.2007
Wolfgang Ludwig-Mayerhofer
01.02.2005 - 30.06.2007

Mitarbeiter

Andreas Hirseland
01.02.2005 - 30.06.2007
01.02.2005 - 30.06.2007