Aufbau eines Mikrosimulationsmodells
Projektlaufzeit: 01.05.2005 bis 30.06.2007
Kurzbeschreibung
Das SGB II regelt zum einen die Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Grundsicherung) und zum anderen die Maßnahmen zur Eingliederung von Langzeitarbeitslosen. In der Terminologie der Arbeitsmarktforschung handelt es sich um aktive und passive Leistungen an Arbeitslose. Von beiden Leistungsarten gehen Einflüsse auf das Verhalten ihrer Bezieher aus. Dabei ist davon auszugehen, dass die Höhe der Grundsicherung und die Anrechnung von eigenem Einkommen aus Erwerbstätigkeit (§30) das Erwerbsverhalten (Arbeitsangebot) unmittelbar beeinflussen. Aufgrund der großen Anzahl von Personen, welche die Anspruchsvoraussetzungen für den Bezug von Leistungen nach SGB II erfüllen (Das IAB schätzt die Zahl der potentiell zu aktivierenden Menschen auf 3,44 Mio., KB 11/2004.), ist neben den individuellen (mikroökonomischen) Effekten auch mit gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von Hartz IV zu rechnen.
Bei den aktiven Leistungen hängt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung analog zur bisherigen Arbeitsmarktpolitik (SGB III) vom Umfang der Maßnahmen ab. Für 2005 sind für aktive Leistungen nach dem SGB II 6,35 Milliarden Euro vorgesehen. Der Eingliederungstitel für Maßnahmen innerhalb des SGB III hat ein geplantes Volumen von 4,4 Mrd. EUR. In 2004 wurden ca. 10,3 Mrd. EUR für aktive Arbeitsmarktpolitik ausgegeben. Die Gesamtsumme ist damit praktisch konstant geblieben. Sie verteilt sich aber nun auf zwei verschiedene Rechtskreise.
Die Regelungen des SGB II hinsichtlich der Eingliederungsleistungen legen es einerseits nahe, das gesamte SGB II als ein soziales (politisches) Programm im Sinne der Evaluationsliteratur aufzufassen. Dieses Programm verursacht bestimmte Resultate (outcomes), die man in Form von Ergebnisvariablen messen möchte. Andererseits hat die Neuordnung der passiven Leistungen den Charakter einer Steuerreform. Die Untersuchung von allgemein gültigen Veränderungen des Steuer- oder Transferrechts wird üblicherweise nicht als Evaluationsforschung im engeren Sinne betrachtet. Hierbei handelt es sich vielmehr um finanzwissenschaftliche Analysen zu den Allokations- und Verteilungseffekten von existierenden Steuersystemen bzw. deren Veränderung.
Die Unterschiede zwischen beiden Forschungsrichtungen liegen vor allem in den verwendeten Methoden. Während die arbeitsmarktökonomische Forschung zu den Effekten von Maßnahmen der AAMP zumeist danach trachtet, über den Vergleich zwischen Maßnahmeteilnehmern und einer adäquaten Kontrollgruppe den kausalen Effekt einer Maßnahme zu identifizieren, beruhen Analysen zu den Effekten von Steuern und Transfers überwiegend auf einem Längs- und/oder Querschnittsvergleich einer Stichprobe der betroffenen Gesamtpopulation. Da Veränderungen im Steuer- bzw. Sozialrecht in den meisten Fällen allgemeine Gültigkeit haben (universal treatment), ist die Konstruktion einer (kontemporären) Vergleichsgruppe unmöglich. Hinzu kommt, dass es sich in der Regel um (marginale) Veränderungen bestehender Vorschriften handelt, so dass ein intertemporaler Vergleich nur die relativen Unterschiede in der Behandlung nutzen kann.
Die Untersuchung der personellen Einkommensverteilung erfordert die Verfügbarkeit eines möglichst großen Individualdatensatzes. In Deutschland kommen nur das Sozioökonomische Panel (SOEP) und die Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) in Frage. Letztere wird jedoch nur alle fünf Jahre erhoben. Die letzte Erhebung wurde 2003 durchgeführt, die nächste ist für 2008 geplant. Die EVS ist damit für die SGB II Forschung am IAB nicht direkt einsetzbar. Das SOEP wird jährlich erhoben. Die Daten stehen in der Regel ein knappes Jahr nach Ende des Berichtsjahres zur Verfügung. Das bedeutet, dass mit Daten für 2005 frühestens Ende 2006 gerechnet werden kann. Der Vergleich von tatsächlichen Einkommensverteilungen, etwa ein Vergleich der Jahre 2004 und 2005 kann somit erst im Frühjahr 2007 geleistet werden.
Das empirische Arbeitsangebotsmodell muss in der Lage sein, die komplexen Regeln des Steuer- und Transferrechts berücksichtigen zu können. Dies ist wohl nur mit Hilfe eines diskreten Arbeitsangebotsmodells mit vertretbarem Aufwand möglich. In diesem Fall werden nur für bestimmte Arbeitszeiten (Stundenzahl) die potentiellen Nettoeinkommen bestimmt. Daher ist zur Beantwortung der zuvor aufgeworfenen Forschungsfragen der Aufbau bzw. Ausbau folgender Modelle/Instrumente vorgesehen:
1)Aufbau bzw. Weiterentwicklung eines Steuer-Transfer-Modells
2)Aufbau bzw. Weiterentwicklung eines empirischen Arbeitsangebotsmodells
Beide Modelle sollen sich zu einem dynamischen Mikrosimulationsmodell ergänzen. Ein solches Modell ist ein geeignetes Instrument, um die Wirkungen der neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende auf die personelle Einkommensverteilung und das Arbeitsangebotsverhalten von Arbeitslosen zu untersuchen. Der Vorteil eines Mikrosimulationsmodells liegt darin, bereits relativ zeitnah zur Durchführung der Reform über deren Wirkungen Aussagen treffen zu können. Im Unterschied zu einer Ex-Post-Evaluation benötigt ein Simulationsmodell keine Daten, die erst nach Inkrafttreten des SGB II verfügbar sind.
Ziel
Die Einführung der neuen Grundsicherung für Arbeitssuchende im Rahmen des SGB II führt über Veränderungen des individuellen Arbeitsangebotsverhaltens auf der Mikroebene zu gesamtwirtschaftlichen Lohn- und Beschäftigungseffekten. Ziel des Projektes ist es, die Arbeitsangebotsreaktionen zu schätzen und damit die Voraussetzungen für die gesamtwirtschaftliche Analyse zu schaffen.
Methoden
Die mikroökonometrische Forschung hat in den letzten 15 Jahren große Fortschritte erzielt. Mittlerweile ist die Schätzung von Arbeitsangebotsfunktionen und die Prognose von Verhaltensänderungen als Reaktion auf veränderte Steuer- oder Transferregeln auf Basis großer Individualdatensätze State of the Art. Methodisch setzt sich eine solche Analyse aus zwei Teilen zusammen, zum einen der Bestimmung von Nettoeinkommen (nach Steuern und Transfers) auf der Basis beobachteter Bruttogrößen und zum anderen aus einem empirischen Arbeitsangebotsmodell. Den ersten Teil bezeichnet man üblicherweise als Mikrosimulation, wobei die Abgrenzung zwischen Modellen ohne jegliche Verhaltensänderungen und solchen, die auch Reaktionen der betroffenen Personen zulassen, durchaus fließend sind.