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Projekt

Freie Mitarbeiter und selbständige Einzelunternehmer mit persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit ("Scheinselbständige")

Projektlaufzeit: 01.12.1993 bis 01.12.1995

Kurzbeschreibung

Erwerbsformen, die im Grenzbereich von abhängiger und selbständiger Erwerbstätigkeit anzusiedeln sind. In diesem Kontext ist etwa auf Erwerbstätige zu verweisen, die abhängig bschäftigt waren und unter weitgehender Beibehaltung der Inhalte sowie der Ausgestaltung der Erwerbstätigkeit in formal selbständigen Formen der Erwerbstätigkeit (geregelt über einen Werk- oder Dienstvertrag) übergewechselt sind oder abgedrängt wurden. Weiterhin ist davon auszugehen, daß neue Erwerbsverhältnisse auch häufiger in Form einer freien Mitarbeit angeboten werden, ohne daß die entsprechenden Möglichkeiten einer arbeitsvertraglichen Regelung angeboten werden. Hinsichtlich des Umfangs wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit zu den Vertragsgebern heben sich diese Erwerbstätigen von typischen Formen der beruflichen Selbständigkeit ab, so daß im Kontext dieses Projekts von "Freien Mitarbeitern und selbständigen Einzelunternehmern mit wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit" gesprochen wird.
Erstmals werden nun differenzierte Befunde zu aufkommen und Verbreitung von "Scheinselbständigen" vorgelegt, und deren vertragliche, berufliche, materielle und soziale Lage ausführlich dargestellt. Den aktuellen Stand der Rechtswissenschaften aufgreifend, wurde bei der Frage der Identifizierung von "Scheinselbständigen" neben dem Kriterienkatalog der herrschenden Rechtsprechung (BAG-Modell) auch alternative Ansätze wie das "Alternativmodell" (Schwerpunkt "Unternehmerrisiko") oder das "Verbandsmodell (Schwerpunkt "Mitgliedschaft in der Sozialversicherung") berücksichtigt. Aus empirischer Sicht hat sich sowohl die Operationalisierung der Modelle, deren Umsetzung in ein Erhebungsinstrument als auch das komplexe empirische Instrumentarium, daß mit Hilfe mehrerer Vorstudien entwickelt wurde, sehr gut bewährt. Die Befunde zeigen, daß die Zahl der identifizierten "Scheinselbständigen" in einem beachtlichen Umfang von den dabei zugrundegelegten Abgrenzungskriterien abhängt. Bislang fehlen verläßliche Angaben über das Aufkommen dieser Erwerbsformen über die Branchen und Berufe hinweg ebenso wie dessen arbeits- und sozialrechtlich relevante Ausgestaltung der Erwerbsverhältnisse oder deren Einbindung in individuelle Erwerbsverläufe. Weitgehend unbekannt ist die Beurteilung dieser Erwerbsformen durch die Beteiligten selbst. Schließlich liegen bislang nur grobe Vermutungen über die Konsequenzen, die mit der Verankerung dieser Erwerbsform für die Erwerbstätigen verknüpft sein könnten, vor.
1994 wurden insgesamt fünf Vorstudien im Rahmen des Projektes durchgeführt und inzwischen weitgehend abgeschlossen. Ziel dieser Vorstudien war es, methodische und inhaltliche Fragen für die im Jahr 1995 durchgeführte Haupterhebung abzuklären. Bei den Vorstudien handelt es sich im einzelnen um:
a) Eine qualitative Befragung von insgesamt 81 Experten insbesondere aus der Arbeitsverwaltung, von Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern, Gewerkschaften, Gewerbemelde- und Gewerbeaufsichtsämtern.
b) Eine statistische Analyse auf der Basis der Mikrozensen zu Aufkommen und Formen von Ein-Personen-Selbständigen in den alten Bundesländern.
c) Eine Beteiligung an der Sozialwissenschaften-Umfrage des Zentrums für Umfragen, Methoden und Analysen (ZUMA) um die Verteilung spezifischer Erwerbsmerkmale und deren Kombination abzuschätzen. Gleichzeitig wurde getestet, inwieweit eine Beteiligung an kommerziellen Massenbefragungen als geeigneter Zugang zu der für das Projekt relevanten Zielpopulation zu erachten ist.
d) Ein juristisches Gutachten mit dem Ziel, die in der Bundesarbeits- und Bundessozialgerichtsbarkeit relevanten Kriterien zur Eingrenzung der Gruppe der freien Mitarbeiter und selbständigen Einzelunternehmer mit persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit darzustellen und einer empirischen Abfrage zugänglich zu machen. Ergänzend wurden zentrale Kriterien aus der einschlägigen Fachliteratur berücksichtigt.
e) Eine empirische Befragung (pretest) mit 140 Personen. Diese Befragung wurde durchgeführt mit dem Ziel, ein als geeignet erachtetes Konzept zur Ermittlung dieser Personengruppe und deren Erwerbssituation empirisch zu testen.
In der 2. Jahreshälfte 1995 wurden im Rahmen einer computergestützten telefonischen Befragung insgesamt über 21.000 deutschsprachige Personen mit Wohnsitz in der Bundesrepublik im erwerbsfähigen Alter mit einem kurzen Screeningprogramm kontaktiert um Erwerbstätige zu identifizieren, die in der Grauzone von selbständiger und abhängiger Erwerbsarbeit anzusiedeln sind. Dabei wurden 929 Personen identifiziert und ausführlich zur Erwerbssituation, zur vertraglichen Ausgestaltung des Erwerbsverhältnisses sowie zur beruflichen, sozialen und materiellen Lage befragt. Unter Verwendung alternativer Rechtskonzepte (BAG-Modell, Alternativmodell und Verbandsmodell) wurde geprüft, wieviele der Erwerbstätigen in der Grauzone je nach Rechtskonzept als Scheinselbständige zu bewerten wären und wieviele als echte Selbständige zu beurteilen sind. Die Ergebnisse der Studie sind zwischenzeitlich umfassend publiziert.

Leitung

01.12.1993 - 01.12.1995