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Presseinformation des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung vom 13.12.2024

Syrer*innen auf dem Arbeitsmarkt: Die Mehrheit arbeitet in Mangel- und systemrelevanten Berufen

Syrien gehört seit 2011 zu den Ländern, die weltweit am stärksten von Krieg, Verfolgung und Vertreibung betroffen sind. Deutschland zählt mit rund einer Million geflüchteter Syrer*innen zu den wichtigsten Aufnahmeländern. Der Anteil syrischer Beschäftigter an der Gesamtbeschäftigung in Deutschland liegt 2024 bei etwa 0,6 Prozent, unter Berücksichtigung der Eingebürgerten bei rund 0,8 Prozent. Viele syrische Geflüchtete arbeiten in Mangelberufen, 62 Prozent in systemrelevanten Berufen. Das zeigt eine am Freitag veröffentliche Analyse des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).

Im September 2024 waren 287.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland beschäftigt, davon 82 Prozent sozialversicherungspflichtig. Mit 42 Prozent liegt ihre durchschnittliche Beschäftigungsquote allerdings unter den 61 Prozent, die syrische Geflüchtete sieben Jahre nach dem Zuzug erreichen. „Viele syrische Geflüchtete sind erst nach 2015 eingereist und befinden sich somit noch in einer frühen Phase des Integrationsprozesses“, erklärt IAB-Forscher Herbert Brücker.

Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit steigt mit zunehmender Aufenthaltsdauer

Im ersten Jahr nach der Ankunft in Deutschland waren noch 37 Prozent der syrischen Erwerbstätigen in Helfertätigkeiten beschäftigt, nach sieben Jahren sank dieser Anteil auf 26 Prozent. Der Anteil der Beschäftigten in Spezialisten- und Expertentätigkeiten – Berufe, die in der Regel eine akademische oder höherqualifizierende Ausbildung erfordern – stieg in diesem Zeitraum auf 15 Prozent. Insgesamt waren sieben Jahre nach dem Zuzug 74 Prozent der erwerbstätigen syrischen Geflüchteten in qualifizierten Tätigkeiten tätig, die üblicherweise einen Berufs- oder Hochschulabschluss voraussetzen. Allerdings haben die Syrer*innen vor dem Zuzug nach Deutschland im Durchschnitt auf einem höheren Qualifikationsniveau gearbeitet. So gingen vor ihrer Flucht nach Deutschland lediglich 9 Prozent der syrischen Geflüchteten einer Tätigkeit im Helferbereich nach, 66 Prozent übten eine Fachkrafttätigkeit und 25 Prozent eine Beschäftigung im Spezialisten- beziehungsweise Expertenbereich aus. „Betrachtet man das Anforderungsniveau der syrischen Geflüchteten vor dem Zuzug nach Deutschland, dann ergibt sich eine Dequalifizierungstendenz“, so IAB-Forscherin Yuliya Kosyakova.

Die Mehrheit der syrischen Geflüchteten arbeitet in Mangel- und systemrelevanten Berufen

Syrische Männer sind vorwiegend in Verkehrs- und Logistikberufen (22 %), Fertigungs- und fertigungstechnischen Berufen (zusammen 21 %), im Lebensmittel- und Gastgewerbe (14%), im Gesundheitswesen (11 %) sowie im Bau- und Ausbaugewerbe (9 %) beschäftigt. Syrische Frauen hingegen arbeiten vorrangig in sozialen und kulturellen Dienstleistungen (28 %), im Gesundheitswesen (18 %), im Lebensmittel- und Gastgewerbe (17 %) sowie im Handel (11 %). Viele der Tätigkeitsfelder, in denen syrische Geflüchtete arbeiten, gelten als Mangelberufe, in denen eine hohe Arbeitskräftenachfrage einem vergleichsweise geringen Arbeitsangebot gegenübersteht. Zudem arbeiten 62 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrer*innen in systemrelevanten Berufen, beispielsweise im Gesundheitswesen, im Bereich Transport und Logistik oder in der Nahrungsmittelproduktion. Bei den deutschen Beschäftigten sind es 48 Prozent. „Die starke Konzentration syrischer Geflüchteter in Mangel- und systemrelevanten Berufen, wie im Gesundheitswesen, im Transport- und Logistikbereich und ausgewählten Produktionsbereichen, hat arbeitsmarktpolitische Bedeutung“, erklärt Brücker. „Ein Wegfall dieses Potenzials durch Rückkehrmigration wäre zwar auf gesamtwirtschaftlicher Ebene nicht dramatisch, könnte aber regional und branchenspezifisch durchaus spürbare Auswirkungen haben – insbesondere in jenen Branchen, Tätigkeitsfeldern und Regionen, die bereits heute unter Arbeitskräftemangel leiden“, so Kosyakova.

Großteil der syrischen Geflüchteten will dauerhaft in Deutschland bleiben

In der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten gaben 94 Prozent der zwischen 2013 und 2019 eingereisten, in Syrien geborenen Geflüchteten an, dauerhaft in Deutschland bleiben zu wollen. Diese Zahlen können sich durch den Umbruch in Syrien verändern, aber voraussichtlich werden viele Syrer*innen dennoch nicht zurückkehren wollen: „Aus Sicht der Migrationsforschung ist davon auszugehen, dass aufgrund der bereits langen Aufenthaltsdauer sowie ausgeprägten Bleibewünsche die Mehrheit der syrischen Geflüchteten in Deutschland bleiben möchte“, erklärt Kosyakova.

Die Analyse ist abrufbar unter: https://iab.de/daten/syrische-arbeitskrafte-in-deutschland/.