Laut einer aktuellen IAB-Befragung erkennen zwar rund 70 Prozent der Befragten den hohen Nutzen sozialstaatlicher Leistungen prinzipiell an, knapp zwei Drittel halten aber auch die damit verbundenen Kosten für ein Problem. Eine knappe Mehrheit, darunter viele Menschen mit niedrigem Einkommen, glaubt zudem, dass Sozialleistungen „faul machen“. Das zeigt eine am Donnerstag veröffentlichte Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB).
Insgesamt teilen über 70 Prozent der Befragten die Auffassung, dass Sozialleistungen ihren vorgesehenen Zweck erfüllen, nur etwa 30 Prozent stimmen dem nicht zu. Zugleich sehen 64 Prozent in Sozialleistungen eine zu hohe Belastung für Gesellschaft und Unternehmen. 40 Prozent der Befragten betrachten den Sozialstaat als ausgewogen: Sie sehen sowohl seinen hohen Nutzen als auch wesentliche Kosten des Systems. Moritz Kuhn von der Universität Mannheim fasst das Ergebnis so zusammen: „Für die meisten Befragten ist der Sozialstaat wie Sport – anstrengend, aber notwendig, um die Gesellschaft fit und stabil zu halten.“
Die Zustimmung zur Aussage „Sozialleistungen machen faul“ kann als Gradmesser für Probleme bei der Ausgestaltung des Sozialstaats dienen. Etwa jeder zweite Befragte stimmte der Aussage zu, dass staatliche Unterstützung „faul macht“ und dazu führt, dass Menschen sich in die sprichwörtliche „soziale Hängematte“ legen. Unter den Geringverdienern – also Personen im unteren Viertel der Einkommensverteilung – signalisieren 64 Prozent ihre Zustimmung. Aber auch unter Erwerbstätigen, die ergänzend zu ihrem Einkommen Leistungen erhalten, stimmt jede zweite Person dieser Aussage zu. Das zeigt, dass auch Personen, die regelmäßig eigene Erfahrungen mit dem Sozialsystem machen, kritisch auf den Sozialstaat schauen. „Gerade wer trotz Arbeit nur wenig verdient, erlebt das Spannungsfeld zwischen Arbeit und Absicherung besonders deutlich. Und bei diesen Menschen ist in unseren Daten auch das Bedürfnis nach Leistungsgerechtigkeit besonders hoch“, so der IAB Forscher Jens Stegmaier.
Insgesamt genießt das Leistungsprinzip in Deutschland eine hohe Akzeptanz: Ungefähr drei von vier Erwerbstätigen sind der Meinung: Wer mehr leistet, sollte auch mehr bekommen. Selbst unter Beziehenden von Arbeitslosen- und Bürgergeld wird Leistungsgerechtigkeit mehrheitlich befürwortet, obwohl die Bedarfsorientierung ebenfalls als wichtiges Merkmal einer gerechten Gesellschaft erachtet wird. „Die Ergebnisse legen nahe, dass Reformen dann Zustimmung finden, wenn sie den Sozialstaat sichern und Leistung belohnt wird – gerade bei Menschen mit niedrigen Einkommen scheint es am letzten Punkt heute Zweifel zu geben“, so IAB-Forscher Jonas A. Weik.
Die Studie beruht auf Daten der IAB-Online-Personenbefragung „Arbeiten und Leben in Deutschland“ (IAB-OPAL). Die Auswertungen beziehen sich auf die Antworten von über 5.000 erwerbstätige Personen in Voll- und Teilzeit sowie Personen im Leistungsbezug zwischen 18 und 65 Jahren teil. Die Studie ist online abrufbar im IAB-Forum: https://iab-forum.de/breite-zustimmung-zum-sozialstaat-leistung-soll-sich-aber-lohnen/