Im Schnitt waren 18 Prozent aller erwerbsfähigen ukrainischen Geflüchteten im Frühjahr 2023 erwerbstätig – ein leichter Anstieg von einem Prozentpunkt im Vergleich zur ersten Befragungswelle im Herbst 2022. Allerdings steigt die Erwerbstätigenquote ab einer Aufenthaltsdauer von zwölf Monaten deutlich auf 28 Prozent. Das zeigen die Ergebnisse der zweiten Welle der IAB-BiB/FReDA-BAMF-SOEP-Befragung, die das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung am Donnerstag veröffentlichte.
Fast die Hälfte der erwerbstätigen ukrainischen Geflüchteten ist in Berufen tätig, für die sie auf dem deutschen Arbeitsmarkt formal überqualifiziert sind. Zudem verdienen ukrainische Geflüchtete unterdurchschnittlich: Die mittleren Bruttomonatsverdienste der vollzeitbeschäftigten ukrainischen Geflüchteten liegen mit 2.550 Euro deutlich unter dem Durchschnittsverdienst aller Vollzeitbeschäftigten in Deutschland von 3.516 Euro.
Bei Frauen und vor allem bei Müttern mit Kleinkindern gestaltet sich die Arbeitsmarktintegration ukrainischer Geflüchteter schwieriger als bei den Männern: Frauen haben im Vergleich ein höheres Risiko der Nichterwerbstätigkeit und der Beschäftigung unterhalb ihres Qualifikationsniveaus. Zudem verdienen sie weniger. „Die Kinderbetreuung ist ein strukturelles Problem“, erklärt Herbert Brücker, Leiter des IAB-Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“. „Eine frühzeitige und umfassende Kinderbetreuung erhöht nicht nur unmittelbar die Arbeitsmarktchancen für geflüchtete Frauen. Sie führt auch zu mehr sozialen Kontakten mit deutschen Familien, fördert die soziale Teilhabe und erleichtert damit auch indirekt den Arbeitsmarktzugang“, so Brücker weiter.
Mitgebrachte Bildungsabschlüsse und Berufserfahrung erhöhen die Arbeitsmarktchancen und Verdienste der ukrainischen Geflüchteten. Auch der Abschluss von Deutschkursen sowie gute Deutschkenntnisse erhöhen die Chancen auf eine Erwerbstätigkeit: Ukrainische Geflüchtete, die einen Deutschsprachkurs mit fortgeschrittenem Niveau beenden, haben eine um 21 Prozentpunkte höhere Erwerbstätigenquote als Geflüchtete, die keinen Sprachkurs absolvieren. „Angesichts der hohen Teilnahmequote von über 60 Prozent an Sprach- und Integrationsmaßnahmen zum Befragungszeitpunkt und ausgeprägten Erwerbstätigkeitswünsche ist nach Abschluss der Kurse eine beschleunigte Integration zu erwarten“, sagt Yuliya Kosyakova, Leiterin des IAB-Forschungsbereichs „Migration, Integration und internationale Arbeitsmarktforschung“. „Nun gilt es die Potenziale voll auszuschöpfen. Wir müssen in Sprachkurse auf fortgeschrittenem Niveau, sonstige Qualifizierungs- und Arbeitsmarktberatungsmaßnahmen investieren und soziale Teilhabe fördern“, so Kosyakova weiter.
Die Studie beruht auf einer repräsentativen Befragung von rund 6.000 ukrainischen Geflüchteten im erwerbsfähigen Alter von 18 bis 64 Jahren, die sich seit 24. Februar 2022 in Deutschland aufhalten. Die Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2023/kb2023-14.pdf