Insbesondere Ausbildungssuchende, die den Kontakt zur Bundesagentur für Arbeit (BA) abgebrochen haben, aber auch solche mit Fluchthintergrund münden seltener in eine duale Berufsausbildung ein. Zudem berichten Jugendliche mit Fluchthintergrund seltener über Angebote der Berufsorientierung als Jugendliche ohne Fluchthintergrund. Dies betrifft vor allem praxisnahe Angebote wie Praktika oder Schnuppertage. Das zeigen Ergebnisse der BA-BIBB-IAB-Bewerberstudie, die in Kooperation zwischen der Bundesagentur für Arbeit (BA), dem Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) durchgeführt wurde.
Während rund 57 Prozent der Ausbildungssuchenden mit Kontakt zur BA im Ausbildungsjahr 2023/2024 in Ausbildung waren, betrug der entsprechende Anteil bei Personen ohne weiteren Kontakt zur BA nur 13 Prozent. Gleichzeitig sind diese sogenannten unbekannt Verbliebenen mit rund 38 Prozent deutlich häufiger arbeitslos oder arbeitssuchend als Ausbildungssuchende, deren Verbleib bei der BA bekannt ist, mit rund 8 Prozent. Ausbildungssuchende ohne weiteren Kontakt zur BA münden mit rund 17 Prozent zudem häufiger zunächst in eine ungelernte Erwerbstätigkeit ein als Ausbildungssuchende mit bekanntem Verbleib mit rund 6 Prozent. Insgesamt weisen Ausbildungssuchende, die den Kontakt zur BA abgebrochen haben, häufiger unsichere Übergänge auf – unabhängig von Schulabschluss, Wohnregion und Angeboten der beruflichen Orientierung. „Wichtig ist deshalb, den Kontakt mit Ausbildungssuchenden konstant aufrechtzuerhalten oder auch aktiv wiederherzustellen, um deren Übergangschancen zu erhöhen und dieses Potenzial auf der Nachfrageseite nicht langfristig zu verlieren. Da sind alle in der Pflicht: Bundesagentur für Arbeit, Schulen und Arbeitgeber“, betont BIBB-Forschungsdirektor Hubert Ertl.
Die Ergebnisse zeigen ferner, dass Ausbildungssuchende mit Fluchthintergrund im Vergleich zu jenen ohne Fluchthintergrund seltener in eine duale Berufsausbildung oder ein Studium einmünden. Geflüchtete gaben demgegenüber häufiger an, eine berufsbildende Schule zu besuchen, an der ein allgemeinbildender Schulabschluss erworben wird, wie zum Beispiel eine Fachoberschule. Außerdem kamen auch unsichere Übergänge häufiger vor: So waren deutlich mehr Personen aus dieser Gruppe arbeitslos beziehungsweise arbeitssuchend oder gingen ohne vorherige Ausbildung einer Erwerbstätigkeit nach. „Dass Ausbildungssuchenden mit Fluchthintergrund der Übergang in Ausbildung oder Studium seltener als den übrigen Ausbildungssuchenden gelingt, ist zum Teil strukturell bedingt. Qualifizierende Angebote, wie beispielsweise ein Nachholen schulischer Abschlüsse, sind hier ein wichtiger Hebel“, erklärt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger.
Junge Geflüchtete berichten seltener über praxisnahe Angebote der Berufsorientierung an ihrer Schule
Geflüchtete berichten zudem deutlich seltener, dass es an ihrer Schule Angebote zur schulischen Berufsorientierung gab. Besonders auffällig ist dies bei praxisnahen Angeboten: So geben lediglich rund 77 Prozent der Jugendlichen mit Fluchthintergrund an, dass sie die Möglichkeit hatten, ein Praktikum innerhalb der Schulzeit zu absolvieren, während dies bei Jugendlichen ohne Fluchthintergrund rund 93 Prozent waren. Auch Schnuppertage und Ausbildungsmessen wurden nach Angabe der Geflüchteten seltener angeboten. Darüber hinaus gab es bei diesen Jugendlichen auch seltener individuelle Beratungsgespräche beispielsweise durch die Berufsberatung der BA oder Beratungslehrende. Die Befunde legen nahe, dass Informationsdefizite, sprachliche Barrieren oder auch ein erst späterer Zuzug und damit einhergehend ein späterer Besuch der Schule bei den Geflüchteten hierbei eine Rolle spielen könnten. „Ausführlichere und zielgruppengenaue Informationen können dabei helfen, Berufsorientierungsangebote außerhalb des Unterrichts bekannter zu machen“, so Fitzenberger. „Auch eine stärkere Verankerung von Angeboten in der Schule oder auch ein Nachholen von Angeboten für später Zugezogene könnte die Zugänglichkeit für diese Jugendlichen verbessern“, so Ertl weiter.
Für alle Ausbildungssuchenden gilt, dass eine als unterstützend erlebte berufliche Orientierung neben der subjektiven Zufriedenheit mit dem aktuellen Verbleib auch die Chance auf einen erfolgreichen Übergang in einen berufsqualifizierenden Bildungsgang erhöht. Daher könnte eine genaue Erhebung der individuellen Interessen der Beratenen und eine Fokussierung der Berufsberatung auf diese Interessen den Erfolg der Berufsberatung erhöhen.
Datengrundlage
Die Ergebnisse beruhen auf Daten der BA-BIBB-IAB-Bewerberstudie 2024, einer repräsentativen Befragung von Ausbildungssuchenden, die im Vermittlungsjahr 2023/2024 bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) als ausbildungsstellensuchend gemeldet waren. Aus der Grundgesamtheit, welche 414.500 bei der BA gemeldete Ausbildungssuchende umfasste, wurden 60.000 zu befragende Personen zufällig ausgewählt. Die Befragung lief von Mitte November 2024 bis Ende Januar 2025.
Die unbekannt Verbliebenen bezeichnen in der Geschäftsstatistik der BA eine Gruppe (2024: rund 55.000 Personen), die sich zunächst als ausbildungsstellensuchend gemeldet hatte, später aber den Kontakt zur BA abgebrochen und keine weitere Unterstützung bei der Ausbildungsplatzsuche in Anspruch genommen hat. In diesen Fällen hat die BA keine Informationen darüber, was aus diesen Personen nach dem Kontakt mit der BA geworden ist.
Die Ergebnisse der BA-BIBB-IAB-Bewerberstudie erscheinen inhaltsgleich als IAB-Kurzbericht und als BIBB REPORT:
IAB-Kurzbericht: https://iab.de/publikationen/publikation/?id=15089412
BIBB REPORT: https://www.bibb.de/dienst/publikationen/de/20690
Ein begleitendes Interview finden Sie im IAB-Forum: https://iab-forum.de/erste-ergebnisse-der-neuen-ba-bibb-iab-bewerberstudie/