Springe zum Inhalt

Ohne inklusive Arbeitskultur und individuelle Lösungen kann Inklusion nicht gelingen

Marta Mistela, Monika Biermeier und Inken Kanbach stehen nebeneinander vor dem großem metallischem IAB-Logo
Marta Mistela, Koordinatorin des Inklusionsprojekts am IAB, mit den beiden Inklusionsguides Monika Biermeier und Inken Kanbach (von links).
Foto: Katja Feuerstein (IAB)

Mit einem Inklusionsprojekt will das IAB als Arbeitgeber die berufliche Teilhabe von Menschen mit Behinderungen stärken. Deswegen nimmt das Institut am bundesweiten Projekt „InklusionsGuides: Der innovative Weg zu mehr Diversität in der Arbeitswelt“ teil. Es tut dies auch aus eigenem Interesse, denn Diversität ist ein entscheidender Erfolgsfaktor.

Von Sonja Abend

Ziel des bundesweiten Projekts „InklusionsGuides: Der innovative Weg zu mehr Diversität in der Arbeitswelt“ ist es, eine inklusive Arbeitskultur zu schaffen und dabei Frauen mit Behinderung gezielt in den Blick zu nehmen. Dass sich das Projekt gerade auf diese Gruppe konzentriert, hat seinen Grund. Denn im Vergleich zu Männern mit Behinderung und Personen ohne Beeinträchtigung fühlen sich insbesondere Frauen mit Schwerbehinderung von Stellenausschreibungen oftmals nicht angesprochen. So bieten die ausgeschriebenen Stellen vielfach nicht die Möglichkeit von Teilzeitarbeit – was sie gerade für Frauen mit Behinderung weniger attraktiv macht.

Um hier Abhilfe zu schaffen, sollen die Unternehmen und Organisationen, die sich am Projekt beteiligen, unter anderem ihre Stellenausschreibungen überarbeiten, ihre Bewerbungsprozesse evaluieren und flexiblere Arbeitszeitmodelle entwickeln. Damit soll die Sensibilität der Unternehmen für die Belange von Frauen mit Behinderung gestärkt werden – und damit auch deren Attraktivität als potenzieller Arbeitgeber für diese Zielgruppe. Das Projekt InklusionsGuides wird von der Aktion Mensch finanziert und vom Hildegardis-Verein mit Sitz in Bonn durchgeführt. Der gemeinnützige Verein hat das Ziel, Frauen in ihrer beruflichen Entwicklung zu fördern.

Der Hildegardis-Verein fördert seit 2008 mit unterschiedlichen Projekten gezielt Frauen mit Behinderung

Beide sind für diese Aufgabe prädestiniert. Monika Biermeier ist Fernstudentin im Studiengang „Bachelor of Science Ergotherapie“ an der IU Internationale Hochschule. Die gelernte Kinderpflegerin und Ergotherapeutin hat sich mittlerweile auf Ergotherapie für Kinder spezialisiert. Inken Kanbach ist Studentin im Master-Studiengang „Public Health“ an der Hochschule Fulda, arbeitet nebenbei als Life-Coach, also als eine Art Lebensberaterin, und verfügt über Berufserfahrung als Gesundheits- und Krankenpflegerin sowie als Rettungssanitäterin.

Zugleich wissen beide aus eigener Erfahrung, welche Herausforderungen Behinderungen im Arbeitsleben mit sich bringen. Monika Biermeier ist infolge einer Schnittverletzung funktionale Einhänderin mit einer „zentralen Dystronie mit Schmerzproblematik“. Dabei handelt es sich um eine neurologische Bewegungsstörung, die durch unwillkürliche Muskelkontraktionen gekennzeichnet ist und ihren Arbeitsalltag mitunter erschwert.

Biermeier plädiert dafür, damit offensiv umzugehen: „Gerade im beruflichen Bereich verstecken wir oft dringende Bedürfnisse hinter der Angst, Erwartungen nicht zu erfüllen, Leistungen nicht zu erbringen, zu versagen, nicht mehr gebraucht zu werden, oder nehmen sie nicht ernst, beziehungsweise empfinden sie als belastend“, erläutert sie. „Dabei wird oft vergessen, dass gerade ein heterogenes, offenes und angenehmes Arbeitsklima die Arbeitsleistung eines Teams oft verbessert. Nur wo gelebt werden kann, kann auch gut gearbeitet werden, und lebendige Menschen sind individuell.“

Inklusion ist für Biermeier aber erst dann wirklich erreicht, wenn wir diesen Begriff nicht mehr benötigen: „Wenn es nämlich selbstverständlich ist, dass jeder Mensch ganz individuelle Besonderheiten und Bedarfe hat, über die wir alle frei kommunizieren können.“

Auch Inken Kanbach hat gelernt, mit ihrer Behinderung umzugehen. Sie leidet an einer chronischen Darmentzündung. Schmerzen zwingen sie zu kurzen Rückzügen, weswegen sie „gerne eine Toilette in der Nähe“ hat. Sie ist überzeugt, dass Inklusion ihr hilft, ihr volles Potenzial zu entfalten und ihre Fähigkeiten und Talente zu nutzen. Aus ihrer Sicht profitieren Unternehmen mit inklusiver Arbeitskultur davon, dass Beschäftigte mit Behinderung ihre Perspektiven einbringen.

So erwächst aus Wertschätzung am Ende auch Wertschöpfung: „Inklusion bietet mir auch die Möglichkeit, Mitsprache bei Entscheidungen zu haben, die das Unternehmen betreffen, und so meine Ideen und Meinungen in den Mitbestimmungsprozess einzubringen. Das führt auf lange Sicht zu einer mit mehr Respekt, Empathie und Vielfalt verbundenen positiven Erfahrung für mich und andere“, erklärt Kanbach. „Inklusion im Arbeitsleben ist somit eine wesentliche Möglichkeit, mein Selbstvertrauen und mein Engagement zu stärken und mein Wohlbefinden am Arbeitsplatz zu steigern, wodurch wiederum meine Leistung gefördert wird. Und genau aus diesem Potpourri heraus ist es für mich eine große Ehre, als InklusionsGuide des Hildegardis-Vereins am IAB eingesetzt zu sein und dort die Inklusion mit voranzutreiben.“

Breite Unterstützung des Projekts im IAB

Bei diesem Ziel weiß sie sich mit Petra Wagner einig, der Gleichstellungsbeauftragten des IAB. Die Gleichstellung von Frauen und Männern in einer Forschungseinrichtung wie dem IAB erfordert nach ihrer Einschätzung von allen Beteiligten Sensibilität – insbesondere dann, wenn mögliche Diskriminierungsdimensionen „Frau“ und „Behinderung“ zugleich betrachtet werden müssen.

Unterstützungsmaßnahmen seien oft „gut gemeint“, so die Gleichstellungsbeauftragte, aber nicht immer zielführend. Sie erhofft sich vom Projekt daher einen Realitätscheck, damit das IAB mehr Frauen mit Behinderung tatsächlich dauerhafte Beschäftigungschancen bieten kann. „Dazu“, betont sie, „bedarf es individueller Lösungen.“

Auch Doreen Makrinius-Hahn, Schwerbehindertenbeauftragte des IAB, unterstützt das Projekt aus voller Überzeugung. Dabei ist ihr insbesondere der Blick von außen auf das Institut sehr wichtig. Ähnlich wie Petra Wagner verspricht sie sich vom Inklusionsprojekt, dass Beschäftigte mit gesundheitlichen Einschränkungen die bestehenden Unterstützungsangebote des IAB stärker als bisher tatsächlich wahrnehmen. Generell sieht sie das IAB auf dem richtigen Weg und zeigt sich zuversichtlich, dass sie auch in ihrer eigenen Arbeit von den Erfahrungen aus dem Projekt profitieren kann.

Für Sabine Hofmockel Leiterin des Geschäftsbereiches Personal, Qualifizierung und Infrastruktur am IAB, gilt es, Inklusion als Baustein für eine vorausschauende Personalpolitik zu stärken. Denn auch am IAB wird sich der Fachkräftemangel in absehbarer Zeit verschärfen.

Bislang ist der Anteil von Menschen mit Behinderungen in der deutschen Forschungslandschaft sehr niedrig. Denn diese Menschen sehen sich besonders hohen Hürden gegenüber, wenn sie sich auf das Wagnis einer wissenschaftlichen Karriere einlassen – Hürden, die teilweise schon während des Studiums auftreten. Ungeachtet des Potenzials von Forschenden mit Behinderung legt das IAB Wert darauf, auch diesen Menschen attraktive Arbeitsbedingungen zu bieten.

So erhofft sich Sabine Hofmockel von der Teilnahme des IAB am Inklusionsprojekt unter anderem eine noch stärkere Sensibilisierung der Mitarbeitenden für die Probleme und Anliegen von Menschen mit Behinderung. Ihr ist es wichtig, dass sich die InklusionsGuides mit verschiedenen Personengruppen im IAB vernetzen. Geplant sind eine umfassende Vorstellung der Guides in den verschiedenen Gremien des IAB sowie spezielle Besprechungsformate und Veranstaltungen im Institut. Auch Hofmockel setzt auf ein offenes Feedback und Verbesserungsvorschläge der InklusionsGuides, um die Inklusionskultur am IAB weiter zu entwickeln.

Marta Mistela, ebenfalls im Geschäftsbereich Personal, Qualifizierung und Infrastruktur tätig, fungiert als Ansprechpartnerin für die Guides und koordiniert das Projekt institutsintern. Ihre Aufgabe ist es, die aus den im Projekt gewonnenen Erkenntnisse auch nach dessen Ablauf am IAB umzusetzen.

Um dem Projekt zu einem dauerhaften Erfolg zu verhelfen, bedarf es nach ihrer Einschätzung des regelmäßigen Austauschs und der kontinuierlichen Arbeit am Thema. Im Projekt konnte sie bereits neue Arbeitsmethoden kennenlernen und Wissenswertes über sichtbare und unsichtbare Beeinträchtigungen erfahren. Zum Beispiel, dass man keine Unterstützung leisten sollte, ohne vorher zu fragen, ob diese auch tatsächlich gewünscht ist.