Sanktionen können die Beschäftigungsaufnahme von Sanktionierten beschleunigen. Bereits das Risiko, sanktioniert zu werden, kann sich auf das Arbeitssuchverhalten von erwerbsfähigen Leistungsbeziehenden auswirken. Letzteres – der sogenannten Ex-ante-Effekt von Sanktionen – ist Gegenstand einer am Dienstag veröffentlichten Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Die Studie zeigt: Die monatliche Übergangsrate in Beschäftigung ist umso höher, je höher die vorhergesagte Sanktionswahrscheinlichkeit ist.
Grundlage für die Analyse des Ex-ante-Effekts ist die vorhergesagte Wahrscheinlichkeit eines erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, innerhalb von zwei Jahren ab Beginn des Leistungsbezugs erstmalig sanktioniert zu werden. Die Schätzung der Ex-ante-Effekte nutzt Unterschiede in der Anwendung von Sanktionen durch Teams von Vermittlungsfachkräften. Erhöht sich diese Wahrscheinlichkeit von 1 auf 10 Prozent, steigt die monatliche Übergangsrate in Beschäftigung von Leistungsbeziehenden mit durchschnittlichen und ansonsten ähnlichen Merkmalen um etwa 0,5 Prozentpunkte. Zudem steigen insbesondere die Übergänge in qualifizierte Beschäftigung und das durchschnittliche Erwerbseinkommen der Leistungsbeziehenden.
Ab einer Wahrscheinlichkeit von 10 bis 20 Prozent steigt die monatliche Übergangsrate in Beschäftigung bei einer weiteren Erhöhung weniger stark an und führt zunehmend zu Übergängen in Beschäftigung mit geringer Qualität. Zudem sinkt das Erwerbseinkommen.
Die Ergebnisse zeigen somit, dass mit steigender Anwendung von Sanktionen Übergänge in Beschäftigung – auch in vergleichsweise gute Beschäftigung – zunehmen. Demgegenüber steigert eine noch intensivere Anwendung von Sanktionen die Übergänge in Beschäftigung weniger stark und geht zunehmend auf Kosten der Beschäftigungsqualität.
„Die Befunde der Studie sprechen für eine ausgewogene Anwendung von Sanktionen, die sowohl Übergänge in Beschäftigung erhöht als auch positive Wirkungen auf die Beschäftigungsqualität und die Entwicklung der Erwerbseinkommen in den Blick nimmt“, erklärt IAB-Forscher Markus Wolf.
Die Studienergebnisse lassen sich nicht so ohne Weiteres auf die Leistungsminderungen, wie Sanktionen nach der Einführung des Bürgergelds heißen, übertragen. Genauere Aussagen zum Ex-ante-Effekt von Leistungsminderungen im Bürgergeld können erst nach entsprechenden Untersuchungen getroffen werden.
Datengrundlage
In der Untersuchung werden administrative Personendaten der Statistik der BA verwendet. Die Analysestichprobe umfasst erwerbsfähige Leistungsberechtigte, die zwischen April 2012 und März 2013 in gemeinsamen Einrichtungen begonnen haben, Leistungen der Grundsicherung zu beziehen. Nur in den gemeinsamen Einrichtungen liegen die für die Analysen notwendigen Informationen zum Team der Vermittlungsfachkraft vor. Deshalb werden Leistungsbeziehende in zugelassenen kommunalen Trägern von der Analyse ausgeschlossen. Die Analyse beschränkt sich auf Leistungsbeziehende, die als arbeitsuchend gemeldet und zwischen 25 und 57 Jahren alt sind. Leistungsbeziehende, die beispielsweise aufgrund einer Erkrankung oder Kindererziehung nicht arbeitsuchend sind (und somit auch nicht als arbeitslos gelten), werden somit in die Analyse nicht einbezogen. Die Vorhersage der Sanktionswahrscheinlichkeit nutzt Personenmerkmale der Leistungsberechtigten als auch die Informationen zum Team der Vermittlungsfachkräfte. In den Schätzungen werden die Personenmerkmale kontrolliert, sodass die relevante Variation in der Sanktionswahrscheinlichkeit in der Anwendung von Sanktionen durch Teams von Vermittlungsfachkräften liegt.
Die Studie ist abrufbar unter: https://doku.iab.de/kurzber/2024/kb2024-15.pdf.