Betriebsbefragungen ermöglichen eine zeitnahe Erfassung der Kurzarbeit und ihrer Nutzung, noch bevor amtliche Zahlen vorliegen und waren während der Covid-19-Pandemie aufgrund des großen öffentlichen Interesses an diesen Daten notwendig. Erste befragungsbasierte Hochrechnungen im Frühjahr und Sommer 2020 haben die Zahl der Kurzarbeitenden allerdings deutlich überschätzt. Das geht aus einer Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) hervor, die am Beispiel der IAB-Betriebsbefragung „Betriebe in der Covid-19-Krise“ Fehlerquellen für die Ermittlung der Kurzarbeit aufzeigt.
Für August 2020 lag die IAB-Hochrechnung bei 3,3 Millionen und die Hochrechnung des ifo Instituts bei 4,6 Millionen, während die festgeschriebene Zahl der Statistik der Bundesagentur für Arbeit mit 2,5 Millionen Kurzarbeitenden deutlich niedriger war. „Kurzarbeit ist ein sehr flexibles Instrument und ihre zeitnahe Erfassung ist komplex“, erklärt IAB-Direktor Bernd Fitzenberger.
Eine wichtige Ursache für eine Überschätzung besteht darin, dass es einen Unterschied zwischen der abgerechneten und der berichteten Kurzarbeit gibt. „Im Mittel nennen die Betriebe in der Befragung eine höhere Zahl an Kurzarbeitenden, als sie später gegenüber der Bundesagentur für Arbeit abrechnen“, so Fitzenberger. Dies könnte einerseits daran liegen, dass die Betriebe zum Zeitpunkt der Befragung die Beschäftigten mit Anspruch auf Kurzarbeitergeld nicht genau eingrenzen können. Andererseits lässt auch der Begriff „Kurzarbeit“ den Betrieben Interpretationsspielraum. „Verschiedene Personengruppen können nach Einschätzung der Befragten „kurz arbeiten“, aber keinen rechtlichen Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben. Dies kann zum Beispiel bei Inhaberinnen und Inhabern oder geringfügig Beschäftigten der Fall sein, aber auch bei Personen, die Krankengeld beziehen“, berichtet IAB-Forscher Christian Kagerl.
Überschätzungen bei der Zahl der Kurzarbeitenden können außerdem dadurch entstehen, dass Betriebe mit Kurzarbeit in der Corona-Krise überdurchschnittlich häufig an der IAB-Befragung teilnehmen. „Für Betriebe mit Kurzarbeit ist dieses Thema besonders relevant. Zusätzlich erhalten diese Betriebe mit dem Kurzarbeitergeld bereits finanzielle Unterstützung durch die Bundesagentur für Arbeit. Vor diesem Hintergrund ist eine vergleichsweise hohe Teilnahmebereitschaft von Betrieben mit Kurzarbeit plausibel“, so Jens Stegmaier, Mitautor der Studie. “Eine sehr zeitnahe Erfassung von Kurzarbeit bleibt eine große methodische Herausforderung und ist damit stets mit Vorsicht zu interpretieren“. Und weiter betont er: „Retrospektiv ist festzuhalten, dass die IAB-Hochrechnung zumindest den Trendverlauf der tatsächlichen Entwicklung der Kurzarbeit ab August 2020 sehr gut widerspiegelt“.
Die IAB-Studie ist online abrufbar unter https://doku.iab.de/kurzber/2021/kb2021-24.pdf.