Mit dem Forschungsprojekt „Geflüchtete aus der Ukraine in Deutschland“ etablieren vier Partnerorganisationen die bislang erste umfassende, repräsentative sozialwissenschaftliche Wiederholungsbefragung zu dieser Gruppe: das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit (BA), das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) und das Familiendemografische Panel FReDA, das Forschungszentrum des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF-FZ) und das Sozio-oekonomische Panel (SOEP) am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin).
Ziele der Studie
- Erkenntnisgewinn zu den frühen Integrationsprozessen und den damit verbundenen zentralen Bedarfen der ukrainischen Geflüchteten
- Erkenntnisgewinn zu den Auswirkungen von Flucht auf die Schutzsuchenden, insbesondere mit Blick auf Frauen und getrennte Familien
- Dokumentation einer möglichen Rückkehr oder Weiterwanderung
Hintergrund und Inhalt des Forschungsvorhabens
Viele Ukrainerinnen und Ukrainer suchen im Zuge des Angriffskriegs in Nachbarländern und gut erreichbaren EU-Staaten Schutz – unter anderem wegen der geografischen Nähe. Die Flucht in EU-Staaten wird zudem durch eine visumsfreie Einreise und die temporäre Aufnahme ohne Asylverfahren erleichtert. Derzeit kommen vor allem Frauen, Kinder und Ältere aus der Ukraine nach Deutschland. Viele von ihnen können sich an Verwandte und Freunde gleicher Herkunft wenden, die bereits hier leben. Wegen dieser besonderen Bedingungen lassen sich wissenschaftliche Erkenntnisse aus Analysen früherer Fluchtbewegungen nur teilweise auf die aktuelle Situation übertragen.
Hier schließt die geplante Studie eine Forschungslücke: Sie schafft erstmals eine wissenschaftlich belastbare Datenbasis zu Flucht und Integration von Geflüchteten aus der Ukraine – und damit eine wegweisende Grundlage für politische Entscheidungsprozesse und anknüpfende Forschung.
Im Detail werden mit der Studie die folgenden Bereiche untersucht:
- Herkunft und Fluchtumstände: zeitlicher Ablauf von Flucht und Ankunft, rechtlicher Status der Geflüchteten
- Soziodemografische Aspekte: Alter, Geschlecht, Herkunft, Familienstand
- Wohnsituation: Wohnort und Art der Unterkunft
- Qualifikation und Erwerbstätigkeit: schulische, berufliche & akademische Qualifikation, finanzielle Situation, Erwerbstätigkeit, Deutschkenntnisse
- Gesundheit: psychisches Wohlbefinden, Zufriedenheit, Sorgen
- Familien und Kinder: Kinderbetreuung, Besuch von Kita und Schule, Familienkonstellation vor und nach der Flucht
- Gesellschaftliche Ressourcen: soziale Netzwerke, Beratungs- und Unterstützungsbedarfe
- Absichten für die Zukunft: Familiennachzug, Rückwanderung
Methodik
Die sozialwissenschaftliche Panel-Befragung basiert auf einer zufallsbasierten Stichprobe. Sie ermöglicht es, fundierte und zugleich repräsentative Aussagen über die in Deutschland registrierten ukrainischen Geflüchteten zu treffen.
Dafür wurden aus dem Ausländerzentralregister circa 100 Gemeinden in Deutschland ausgewählt, in denen viele ukrainische Geflüchtete gemeldet sind. Aus diesen Gemeinden wurden auf Grundlage von Daten aus den Einwohnermelderegistern Geflüchtete zufällig ausgewählt und mit der Bitte um Teilnahme an der Befragung kontaktiert.
Von August bis Oktober 2022 wurden Interviews mit 11.225 Geflüchteten ukrainischer Staatsangehörigkeit im Alter von 18 bis 70 Jahren durchgeführt (Papierfragebogen und online). Eine zweite Befragungswelle ist für Januar/Februar 2023 geplant (nur online). Beide Befragungen führt infas - Institut für angewandte Sozialwissenschaft durch.
Veröffentlichung erster Ergebnisse
Gemeinsam haben die vier Kooperationspartner am 15. Dezember 2022 erste Ergebnisse aus der Studie im Rahmen einer Bundespressekonferenz vorgestellt. Die Ergebnisse wurden anschließend anhand einer Kurzstudie (PDF) veröffentlicht. Ausführliche Ergebnisse sollen im Februar 2023 im Rahmen eines Forschungsberichts veröffentlicht werden.
Ausblick
Interessierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler werden die Befragungsdaten voraussichtlich ab dem Jahr 2024 über das Forschungsdatenzentrum des SOEP (SOEP-FDZ), des IAB sowie über das am BiB angesiedelte Familiendemografische Panel (FReDA) abrufen können.
Die aktuelle Studie knüpft an die seit 2016 durchgeführte „IAB-BAMF-
SOEP-Befragung von Geflüchteten“ und FReDA an. Es ist geplant, die Teilnehmenden nach der zweiten Befragungswelle innerhalb dieser bestehenden sozialwissenschaftlichen Dateninfrastrukturen weiter zu befragen. Dies bietet die Möglichkeit, langfristige Erkenntnisse über Geflüchtete aus der Ukraine zu gewinnen – sowohl zu Integrationserfahrungen in Deutschland als auch über eine mögliche Rückwanderung ins Heimatland.
Kontakt
- Bundesamt für Migration und Flüchtlinge:
Wenke Niehues
Telefon: +49 911 943 24711
E-Mail: wenke.niehues@bamf.bund.de - Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB):
Dr. Yuliya Kosyakova
Telefon: +49 911 179 2770
E-Mail: Yuliya.Kosyakova@iab.de - Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung:
Dr. Andreas Ette
Telefon: +49 611 75 4360
E-Mail: andreas.ette@bib.bund.de - SOEP Das Sozio-oekonomische Panel:
Dr. Markus Grabka
Telefon: +49 30 89789 339
E-Mail: mgrabka@diw.de