Das moderne Geschlechterdispositiv und die Transformation von Machtbeziehungen bei Paaren
Beschreibung
"Befunde eines Forschungsprojekts, das seit 1999 in einer qualitativen Paneluntersuchung die Entwicklung der Beziehungen von heterosexuellen Doppelverdienerpaaren verfolgt, verweisen auf Brüche und Transformationstendenzen der Geschlechterverhältnisse, die sich im empirischen Blick weder in den Begrifflichkeiten einer Re-Naturalisierung noch in einer praktisch wirksamen De-Konstruktion der modernen, bipolaren Geschlechterordnung im Sinne einer Überwindung oder Aufhebung von Machtgefällen und Ungleichheiten begreifen lassen. Legt man zur Erklärung dieser Befunde eine Perspektive zugrunde, die Michel Foucault (1978) mit dem Konzept des 'Dispositivs' als analytische Kategorie in die Diskussion eingebracht hat, ergibt sich eine modernisierungstheoretische Deutungsmöglichkeit des Geschlechterverhältnisses, mit der eine Transformation von Machtbeziehungen zwischen Männern und Frauen auf einen Wandel des modernen Geschlechterdispositivs hinweist. <br> Das Dispositivkonzept - hier verstanden als das machtvolle Zusammenspiel von institutionellen Arrangements, nicht-/diskursiven Praktiken und Identitätspolitiken im Beziehungsalltag von Frauen und Männern - rahmt die in diesem Beitrag vorzustellende These, nach der der Schlüssel zum Verständnis dieser Veränderungen im Geld (von Männern und Frauen) im Kontext intimer Paarvergemeinschaftung liegt. Allerdings manifestiert sich 'Geld' entlang einer dispositivanalytischen Perspektive in einem anderen Sinne, als dies bspw. bei Anthony Giddens in dem Konzept der 'reinen Beziehung' (pure relationship) aufscheint, die zwischen zwei, ökonomisch-finanziell voneinander unabhängigen Individuen eingegangen wird und einen kulturellen Gegenentwurf zu der auch durch die Abhängigkeit der Frau von einem Ernährergatten institutionalisierten modernen Geschlechterkomplementarität verheißt. <br> Um dies zu erläutern, sollen in einem ersten Schritt nur stichpunktartig unsere empirischen Befunde angedeutet werden, um im darauf folgenden Schritt in Anlehnung an den Dispositivbegriff das moderne Geschlechterverhältnis vor dem Hintergrund dieser Befunde konzeptionell zu fassen. Der dritte und letzte Schritt wird dann versuchen, eine modernisierungstheoretische Einordnung der vorgestellten Überlegungen zu Macht, Herrschaft und Ungleichheit zwischen Männern und Frauen entlang des Dispositivkonzepts auszuweisen." (Textauszug, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Schneider, Werner & Andreas Hirseland (2008): Das moderne Geschlechterdispositiv und die Transformation von Machtbeziehungen bei Paaren. In: K.- S. Rehberg (Hrsg.) (2008): Die Natur der Gesellschaft : Verhandlungen des 33. Kongresses der Deutschen Gesellschaft für Soziologie in Kassel 2006, S. 4762-4773.