Ökonometrische Messung regionaler Preisniveaus auf der Basis örtlich beschränkter Erhebungen
Beschreibung
"Obwohl die Unterschiede in den Lebenshaltungskosten über die Zeit hinweg eine entscheidende Rolle in der Theorie und Politik der Regionalökonomik spielen (Jüßen 2005), sind die Kenntnisse über regionale Preisniveaus in der EU äußerst gering. Nationale statistische Ämter erheben Preisdaten nicht flächendeckend. Vielmehr werden Preiserhebungen üblicherweise punktuell durchgeführt, um den Verbraucherpreisindex (VPI) für Länder und Nationen zu berechnen. Obgleich die statistischen Ämter der Länder Inflationsraten für die 16 NUTS 1-Regionen in Deutschland ermitteln, erlauben die Daten keinen interregionalen Preisvergleich. In Großbritannien ermittelt die private 'Reward Group' regelmäßig Lebenshaltungskostenindizes (cost-of-living indices, COLI) für 11 Makroregionen, die unter anderem für die Berechnung regionalisierter Löhne und Gehälter verwendet werden (Johnston et al. 1996). Informationen über regionale Preisniveaus auf einem niedrigeren regionalen Niveau, beispielsweise für NUTS 2- oder NUTS 3-Regionen, sind gewöhnlich nicht verfügbar. Aufgrund dieses Informationsmangels müssen sich regionale EU-Studien gewöhnlich auf nominale Indikatoren stützen. Jüßen (2005) deutet auf die Notwendigkeit hin, die Konvergenz des realen BIP zu analysieren, um zu bewerten, ob sich die Regionen wirtschaftlich auseinanderentwickeln oder angleichen. Ebenso sind Vergleiche des regionalen Entwicklungsstands und der Kaufkraft nur bei Kenntnis der regionalen Preisniveaus aussagekräftig. Bei der Messung räumlicher Disparitäten der Lebenshaltungskosten schätzen Aten und Heston (2005) räumliche Preisniveaus, indem sie regionale ökonometrische Modelle mit nationalen Verbraucherpreisindizes kalibrieren. Ein Herunterbrechen von Länderschätzungen auf die regionale Ebene ist allerdings nicht ohne Weiteres zu rechtfertigen. Erstens sind die ökonometrischen Modelle aus internationalen Studien hauptsächlich nachfrageorientiert und nicht wirtschaftstheoretisch fundiert. Zweitens beinhaltet die Kalibrierung mit dem nationalen Verbraucherpreisindex nicht notwendig auch eine adäquate Erklärung der regionalen Preisniveaus. Drittens gibt es a priori keine Garantie, dass die Wirkungen der erklärenden Variablen auf nationalem und regionalem Niveau identisch sind. Roos (2006a) war der Erste, der eine ökonometrische Bestimmung von regionalen Preisniveaus in Deutschland vorschlug. Er hat erstmals Verbraucherpreisindizes unter Auslassung des Wohnungsbereichs für alle deutschen Kreise und Bundesländer für das Jahr 2003 berechnet. Blien et al. (2008) stellen eine alternative Methode vor, mit der sie für das Jahr 1993 Schätzwerte für alle westdeutschen Kreise berichten. Bei Verwendung der Inflationsraten der Länder rechnet Roos (2006a) die länderspezifischen Preisniveaus (ohne Wohnungsbereich) für den Zeitraum von 1994-2002 fort. In einer nachfolgenden Studie kalkuliert Roos (2006b) Verbraucherpreisindizes auf dem Niveau der Bundesländer unter Verwendung von im Mikrozensus erhobenen Wohnungsmieten. Auf der Basis solch aggregierter Daten können West/Ost-Vergleiche von Pro-Kopf-Realeinkommen die Einkommenslücke zu gering erscheinen lassen, wenn hohe Einkommensregionen gleichzeitig hohe Preisregionen sind. Vor allem aber bleibt der Preisindex in tiefer regionaler Disaggregation, wie z. B. der Kreisebene, unvollständig. Er erfasst nicht das tatsächliche Ausmaß räumlicher Disparitäten. Unsere Studie erweitert die Arbeiten von Roos (2006a, 2006b) in verschiedener Hinsicht." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Kosfeld, Reinhold, Hans-Friedrich Eckey & Martina Schüßler (2010): Ökonometrische Messung regionaler Preisniveaus auf der Basis örtlich beschränkter Erhebungen. In: J. Möller, E. Hohmann & D. Huschka (Hrsg.) (2010): Der weiße Fleck - zur Konzeption und Machbarkeit regionaler Preisindizes (IAB-Bibliothek, 324), S. 91-124.