Struktur- und Prozessänderungen in der beruflichen Rehabilitation nach der Einführung des SGB II
Beschreibung
"Die explorative Implementationsstudie hat eine Untersuchung der Konsequenzen des Inkrafttretens des SGB II mit den daraus folgenden Auswirkungen auf die Förderpraxis im Rahmen der beruflichen Rehabilitation zum Ziel. Ausgangspunkt ist ein, vor allem im Jahr 2005 aufgetretener Rückgang von Eintritten in Maßnahmen der beruflichen Rehabilitation. In fokussierten, leitfadengestützten Experteninterviews in Arbeitsgemeinschaften (ARGEn), Optierenden Kommunen sowie Arbeitsagenturen wurden inner- und interbehördliche prozedurale Abläufe in den Informations-, Entscheidungs- und Kommunikationsprozessen untersucht. Dem Rückgang von Maßnahmeeintritten liegt ein mehrdimensionales Ursachengeflecht zugrunde: Vor allem im Jahr 2005 war die Arbeit der neuen SGB II-Träger geprägt von organisatorischen und institutionellen Aufbauprozessen. Aufgrund der Vielzahl der Herausforderungen war eine Aufgabenhierarchisierung notwendig, wobei die finanzielle Leistungsgewährung im Vordergrund stand. Dem erhöhten Betreuungsbedarf von Personen mit spezifischen Problemlagen, zu denen auch gesundheitliche Beeinträchtigungen zählen, konnte nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Zudem ergaben sich durch die Bildung der neuen Institutionen große personelle Umstrukturierungen. Neben einem Personalwechsel von den Agenturen und Sozialämtern in die ARGEn und Optierenden Kommunen wurde der erhöhte Personalbedarf durch die Gewinnung externer Mitarbeiter gedeckt. Dies führte zu einem überaus heterogenen Wissenshintergrund im Bereich der Arbeitsberatung und -vermittlung. Viele der (neuen) Mitarbeiter hatten Schwierigkeiten beim Erkennen und Bewerten von Rehabilitationsbedarfen, oftmals war kein rehabilitationsspezifisches Fachwissen vorhanden. Zudem ist die Handlungsmaxime der schnellstmöglichen Arbeitsintegration, wie sie in den SGB II-Institutionen verfolgt wird, nicht notwendigerweise kongruent dem Grundgedanken der beruflichen Rehabilitation. Damit würden oft die durch eine Teilnahme an Rehabilitationsmaßnahmen erhöhten Chancen einer dauerhaften Eingliederung in den Arbeitsmarkt aus dem Blick gelassen. Die zusätzliche intensive Prüfung jedes individuellen Maßnahmebedarfs nach Effizienz- und Wirtschaftlichkeitsgesichtspunkten trägt ebenfalls zum Rückgang bei. Damit bekommen (in der Regel) nur diejenigen SGB II-Leistungsbezieher eine Rehabilitation, bei denen die Erfolgswahrscheinlichkeit hinreichend hoch ist. Aber auch potenzielle Rehabilitanden selbst zögern, Rehabilitationsmaßnahmen in Betracht zu ziehen. So führt die Festschreibung des finanziellen Status auf Grundsicherungsniveau über die gesamte Maßnahmedauer, welche bis zu zwei Jahre beträgt, häufig zum Verzicht der Betroffenen auf diese spezifischen Teilhabeleistungen." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Schubert, Michael, Johann Behrens, Marlies Hauger, Cornelia Hippmann, Dietmar Hobler, Anke Höhne, Edina Schneider & Markus Zimmermann (2007): Struktur- und Prozessänderungen in der beruflichen Rehabilitation nach der Einführung des SGB II. Eine qualitative Implementationsstudie. In: J. Dornette & A. Rauch (Hrsg.) (2007): Berufliche Rehabilitation im Kontext des SGB II (IAB-Bibliothek, 309), S. 7-83.