Armut und Gesundheit in ländlichen Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs
Beschreibung
"Im Rahmen des an der Hochschule Neubrandenburg durchgeführten DFG-Projekts 'Gesundheit und alltägliche Lebensführung in nordostdeutschen Landgemeinden' ('Landgesundheitsstudie', LGS) wird in einer Längsschnittperspektive untersucht, wie die Bewohner mit den Veränderungen gesellschaftlicher Strukturen (Veränderung bei landwirtschaftlicher Produktion, Ost-West-Transformation, Peripherisierung) in ihrer Lebensführung und in ihrem gesundheitsbezogenen Alltagshandeln umgehen.<br> In der LGS werden Gesundheit und Gesundheitshandeln per Vollerhebung der erwachsenen Wohnbevölkerung in 14 repräsentativ ausgewählten ländlichen Untersuchungsorten Nordostdeutschlands unter anderem durch eine Fragebogenerhebung analysiert. Diese erfolgte in drei Wellen 1973 (N = 3.510), 1994 (N = 2.285) und 2008 (N = 1.246). Mittels eines einkommensklassenbasierten Schätzverfahrens zum bedarfsgewichteten Äquivalenzeinkommen wurden für die letzten beiden Wellen die Armutsrisikoquoten (nach der EU-Definition als unterhalb des 60%-Medians) sowie soziale und gesundheitliche Korrelate berechnet.<br> Bei z. T. deutlicher Variation zwischen den einzelnen Orten ergab sich für 1994 insgesamt eine Armutsrisikoquote von 19,4%, für 2008 von 18,4%. Neben den niedrigsten Schulabschlüssen und beruflichen Positionen waren jeweils auch mittlere Abschlüsse und Positionen überproportional mit Einkommensarmut verknüpft. Nach diesen Befunden ist es nicht das viel zitierte 'abgehängte Prekariat', die Alten oder - allein - die Großfamilien, sondern es sind vielmehr - neben den Erwerbslosen - die gesellschaftlichen 'Kerngruppen', also Berufstätige, die eine bedeutende Gruppe unter den 'Armen' stellen.<br> Uns selbst überraschte, dass sich bei Gesundheitszustand und der Gesundheitszufriedenheit weniger starke und eindeutige Differenzen zeigten, als wir erwartet hatten. Deutliche Differenzen zwischen 'Armen' und 'Nicht Armen' sowie zwischen unterem und oberem Einkommensquintil zeigten sich in der allgemeinen Lebenszufriedenheit und anderen Lebensbereichen, am stärksten bei der Zufriedenheit mit der Arbeitssituation und mit der finanziellen Lage.<br> Der Beitrag reflektiert abschließend Limitierungen und weiter gehenden Forschungsbedarf, insbesondere zu Fragen der Wirkung des regionalen Kontextes auf die Art und Weise, wie Akteure die Strukturmerkmale ihrer Lebenswelten interpretieren und sie als Ressourcen zum Umgang mit Armut oder von Gesundheitshandeln nutzen können oder dies als Restriktionen bei der Realisierung einer 'gesunden Lebensführung' erfahren." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Elkeles, Thomas, Michael Popp, Enrica Hinz & Christof Röttger; Maik Paulitschke (Mitarb.) (2012): Armut und Gesundheit in ländlichen Gemeinden Mecklenburg-Vorpommerns und Brandenburgs. In: S. Kreher (Hrsg.) (2012): Von der "Leutenot" und der "Not der Leute" : Armut in Nordostdeutschland, S. 269-303.