Reflexives Handeln oder 'Self-Governance'?
Beschreibung
"Die gegenwärtige Debatte über Re-Kommodifizierung und Arbeitsmarktaktivierung im Kontext von Sozialstaatsreformen deutet auf einen tief greifenden Wandel des Verhältnisses zwischen dem Wohlfahrtsstaat und seinen BürgerInnen hin. Jedoch konzentriert sich die Sozialpolitikforschung in Deutschland bislang auf die Reformziele des Wohlfahrtsstaates und den damit verbundenen Wandel von Staatlichkeit, während die BürgerInnen im Wesentlichen als Objekte sozialpolitischer Reformen betrachtet werden. Beispielsweise werden in wissenschaftlichen Kommentaren zu den Hartz-Reformen die Betroffenen vor allem als Zielscheibe der Kontroll- und Erziehungsversuche durch einen zunehmend workfare-orientierten und autoritären Wohlfahrtsstaat gesehen. Dabei wird implizit von einer mehr oder weniger deterministischen Wirkung politischer (Reform-)Strategien auf individuelle Entscheidungen und Präferenzen ausgegangen. In Großbritannien werden dagegen in neueren Arbeiten zum Wandel des Wohlfahrtsstaates unter Rückgriff auf Foucaults Konzept der Gouvernementalität theoretische Überlegungen zum Wandel des Verhältnisses zwischen dem Wohlfahrtsstaat und seinen BürgerInnen angestellt, die Regierung als nicht-deterministischen Versuch der Beeinflussung des Handelns von Subjekten konzipieren, die als mit spezifischen Freiheiten ausgestattet gedacht werden. Im Mittelpunkt meines Beitrags steht die Frage, wie sich - ausgehend von der Annahme einer nicht-deterministischen Wirkung sozialpolitischer Regulierung - die Auswirkungen von Sozialpolitik auf individuelles Handeln theoretisch konzeptionalisieren lassen. Hierzu diskutiere ich die Vorzüge und Grenzen von der theoretischen Überlegungen von zwei Autoren, die im deutschen bzw. im britischen Kontext in der Sozialpolitikforschung oder in angrenzenden Forschungsgebieten Eingang fanden: Beck's These der Institutionen-strukturiertheit von Lebensläufen sowie Foucaults' Konzept der Gouvernementalität. Während beide Autoren die Wirkungen politischer Regulierung auf individuelles Handeln unterschiedlich konzipieren, gestehen sie Individuen bzw. Subjekten neben einer Präformierung durch politische Regulierung auch eigensinniges, widerständiges Handeln zu. Abschließend wird diskutiert, wie diese theoretischen Zugänge für die Analyse individuellen Handelns im Kontext eines Umbaus des Wohlfahrtsstaates nutzbar gemacht werden können." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Zitationshinweis
Henninger, Annette (2006): Reflexives Handeln oder 'Self-Governance'? Individuen zwischen Markt, Familie und sozialstaatlicher Regulierung. Vortrag auf dem DVPW-Kongress 2006. Nürnberg, 16 S.