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Publikation

Bewertung und Relevanz der Karenzzeit beim Vermögen im Bürgergeld

Beschreibung

"Die Grundsicherung für Arbeitsuchende nach SGB II sichert mit dem Bürgergeld das Existenzminimum von Erwerbsfähigen und ihren Angehörigen. Die Leistungen werden gewährt, wenn der Lebensunterhalt nicht vollständig aus dem eigenen Einkommen und Vermögen oder den Mitteln der Angehörigen in einer Bedarfsgemeinschaft finanziert werden kann. Im ersten Jahr des Bürgergeldbezuges gilt eine einjährige Karenzzeit beim Vermögen. Innerhalb der Karenzzeit bleiben für die erste Personen Vermögenswerte bis 40 Tausend Euro und für jede weitere Person in einer Bedarfsgemeinschaft 15 Tausend Euro bei der Prüfung eines Anspruchs unberücksichtigt. Der vorliegende Forschungsbericht führt erste Ergebnisse zur Bewertung und Relevanz der Karenzzeit beim Vermögen im SGB II aus Befragungen der Erwerbsbevölkerung und von Jobcentermitarbeitern zusammen und gibt Hinweise zur Relevanz verschiedener Vermögensgrenzen für die Bedürftigkeit nach SGB II in der Bevölkerung basierend auf Mikrosimulationsergebnissen. Die Befragungsergebnisse zur Bewertung der Regelung unter Beschäftigten und Bürgergeldbeziehenden zeigen ein eher geteiltes Bild, wobei die Mehrheit der Befragten es jedoch positiv bewertet, dass im ersten Jahr Bürgergeld auch mit höheren Ersparnissen bezogen werden kann. Vor allem unter Arbeitslosen und Selbständigen findet die Regelung Zustimmung, etwas kritischer stehen ihr sozialversicherungspflichtig Beschäftigte gegenüber. Tendenziell steigt die Zustimmung auch mit der Höhe der Ersparnisse im Haushalt. Von den befragten Jobcenter-Beschäftigten wird die Karenzzeit mehrheitlich als wenig sinnvoll bewertet. Sie schaffe auf der einen Seite Sicherheit für die Betroffenen. Auf der anderen Seite irritiert die Karenzzeit Vermögen das Gerechtigkeitsempfinden der Jobcenter-Beschäftigten, weil Bedürftigkeit lange Zeit anders - d.h. weniger großzügig - definiert wurde. Hinsichtlich der Relevanz der Karenzzeit geben 93 Prozent der befragten Jobcentermitarbeiter aus der Beratung und Vermittlung an, dass die Karenzzeit Vermögen nie oder sehr selten ein Thema in ihren Beratungsgesprächen ist. Eine eher geringe, aber nicht irrelevante Bedeutung hat die Karenzzeitregel auch für die Leistungsbewilligung. Im Mittel über alle Jobcenter geben Leistungssachbearbeiter an, im letzten Monat 1,7 Erstanträge auf Bürgergeld bearbeitet zu haben, bei denen Vermögen im für die Karenzzeit relevanten Bereich vorlag, was etwa 10 Prozent aller bewilligten Neuanträge entspricht. Noch weniger Fälle (0,5) werden im Mittel angeben, bei denen nach Ende der Karenzzeit das Bürgergeld aufgrund eines zu hohen Vermögens verweigert werden musste. Die Angaben zu den Ersparnissen im Haushalt der befragten Erwerbspersonen lassen darauf schließen, dass nur ein geringer Teil der Bürgergeldbeziehenden von der Karenzzeitregel profitiert. Nur 2 Prozent der befragten Bürgergeldbeziehenden gibt Ersparnisse im relevanten Bereich an, bei Personen außerhalb des Bürgergeldes sind es 14 Prozent. Analysen und Simulationsrechnungen auf Basis des SOEP zeigen insgesamt niedrige Vermögenswerte bei Sozialleistungsberechtigten. Da das zu berücksichtigende Vermögen insbesondere nicht das Wohneigentum sowie das Auto beinhaltet, übersteigen die verbleibenden liquiden Vermögenswerte selten die Schonvermögensgrenzen im Bürgergeld. Dieser Effekt wird in der Karenzzeit durch die höheren Vermögensgrenzen verstärkt. Somit führt ein Anheben der Schonvermögensgrenzen zu Mehrkosten im Bereich des SGB II. Bedarfsgemeinschaften, deren Vermögen etwas über der ursprünglichen Schonvermögensgrenze waren und somit nicht im Leistungsbezug waren, werden dadurch wieder anspruchsberechtigt. Allerdings nimmt der Effekt mit steigender Schonvermögensgrenze ab, da die meisten Haushalte mit höherem Vermögen auch über signifikantes Einkommen verfügen und somit kein Leistungsanspruch unabhängig von Vermögensgrenzen bestehen würde." (Autorenreferat, IAB-Doku)

Zitationshinweis

Bruckmeier, Kerstin, Maximilian Sommer, Sarah Bernhard & Jürgen Wiemers (2025): Bewertung und Relevanz der Karenzzeit beim Vermögen im Bürgergeld. (IAB-Forschungsbericht 14/2025), Nürnberg, 39 S. DOI:10.48720/IAB.FB.2514

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