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Syrische Arbeitskräfte in Deutschland

In aller Kürze

  • Zum 31.12.2023 lebten rund 972.000 Syrerinnen und Syrer in Deutschland, darunter 712.000 Schutzsuchende. Unter den Schutzsuchenden hatten zu diesem Zeitpunkt 624.000 einen anerkannten, 7.000 einen abgelehnten und 81.000 einen offenen Schutzstatus. Bezogen auf die entschiedenen Fälle belief sich die Schutzquote auf 99 Prozent.
  • Die Syrerinnen und Syrer sind damit nach den ukrainischen Staatsangehörigen die größte Gruppe der Schutzsuchenden in Deutschland. Im Jahr 2024 wurden die meisten Anträge auf Schutz von syrischen Staatsangehörigen gestellt.
  • Die Erwerbstätigenquoten der Syrerinnen und Syrer steigen mit zunehmender Aufenthaltsdauer. Die Gruppe der 2013 bis 2019 zugezogenen syrischen Schutzsuchenden erreichte sieben Jahre nach dem Zuzug eine durchschnittliche Erwerbstätigenquote von 61 Prozent. In der Kohorte der 2015 zugezogenen syrischen Geflüchteten belief sich die Erwerbstätigenquote 2022 auf 60 Prozent, sie dürfte inzwischen noch deutlich gestiegen sein. 
  • Es gibt jedoch ein starkes Gendergefälle: Männer haben sieben Jahre nach ihrem Zuzug eine durchschnittliche Erwerbstätigenquote von 73 Prozent erreicht, bei den Frauen sind es 29 Prozent. Die Erwerbstätigenquote der syrischen Männer entspricht bei dieser Aufenthaltsdauer dem Durchschnitt anderer Migrantengruppen und hat sich an den Durchschnitt der männlichen Bevölkerung in Deutschland bereits stark angenähert. Bei den syrischen Frauen besteht noch ein erheblicher Abstand zu den durchschnittlichen Erwerbstätigenquoten der weiblichen Bevölkerung in Deutschland.
  • Die Beschäftigung syrischer Geflüchteter nimmt im Zeitverlauf nach der Ankunft im Helferbereich ab und im Fachkraftbereich sowie in höher qualifizierten Tätigkeiten zu. Insgesamt üben 75 Prozent der Erwerbstätigen eine qualifizierte Tätigkeit aus. Allerdings ist das Anforderungsniveau der Tätigkeit in Deutschland niedriger im Vergleich zu den vor dem Zuzug ausgeübten Tätigkeiten, sodass sich eine Dequalifizierungstendenz ergeben hat.
  • Die geflüchteten syrischen Männer sind überwiegend in Fertigungs- und fertigungstechnischen Berufen und Branchen, Verkehr und Logistik, aber auch in Gesundheitsberufen tätig. Die geflüchteten Frauen arbeiten überwiegend in Berufen der sozialen und kulturellen Dienstleistungen, Gesundheitsberufen, Handelsberufen und Berufen des Lebensmittel- und Gastgewerbes. In vielen dieser Berufe und Branchen ist die Arbeitsnachfrage überdurchschnittlich hoch. 62 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrerinnen und Syrer arbeiten in systemrelevanten Berufen, im Vergleich zu 48 Prozent der deutschen Beschäftigten.

Wie viele geflüchtete Syrerinnen und Syrer leben heute in Deutschland?

Zum Jahresende 2023 lebten rund 972.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland, darunter etwa 712.000 Schutzsuchende (Statistisches Bundesamt 2024a). Als Schutzsuchende gelten dabei alle Ausländerinnen und Ausländer, die sich unter Berufung auf politische, völkerrechtliche und humanitäre Gründe in Deutschland aufhalten. Hierzu zählen Asylbewerberinnen und Asylbewerber mit einem anerkannten Schutzstatus, mit einem abgelehnten Schutzstatus sowie Personen, deren Asylverfahren noch nicht abgeschlossen ist.

Von Januar bis November 2024 wurden zudem weitere 75.000 Asylanträge gestellt, darunter 72.000 Erstanträge (BAMF 2024a). Unter Berücksichtigung der Rückwanderung ist daher davon auszugehen, dass die Zahl der syrischen Schutzsuchenden zum Jahresende 2024 auf rund 800.000 Personen ansteigen wird. Hinzu kommen diejenigen syrischen Geflüchteten, die inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit angenommen haben: Seit 2015 wurden insgesamt 163.000 Syrerinnen und Syrer eingebürgert (Statistisches Bundesamt 2024b).

Insgesamt lässt sich die Zahl der in Syrien geborenen und nach Deutschland geflohenen Personen, die sich noch hier aufhalten, auf etwa eine Million schätzen.

Wie viele Syrerinnen und Syrer haben einen Schutzstatus?

Zum 31. Dezember 2023 befanden sich unter den 712.000 syrischen Schutzsuchenden etwa 624.000 Personen mit anerkanntem Schutzstatus, 7.000 mit abgelehntem Schutzstatus und 81.000 mit noch offenem Schutzstatus (Statistisches Bundesamt 2024a). Bezogen auf die entschiedenen Fälle ergibt sich damit eine Anerkennungsquote von 98,9 Prozent. Hinzu kommt eine nicht bezifferbare Zahl von Personen mit einem anerkannten Schutzstatus, die mittlerweile eingebürgert wurden und somit die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen.

Am 9. Dezember 2024, also einen Tag nach dem Sturz des Assad-Regimes in Syrien, hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) vorübergehend die Entscheidungsverfahren für alle Asylanträge syrischer Staatsangehöriger ausgesetzt (BAMF 2024b). Die Wiederaufnahme der Verfahren ist von einer verlässlichen Einschätzung der künftigen Lage in Syrien abhängig. Dies betrifft jene Schutzsuchenden, deren Verfahren derzeit noch nicht abgeschlossen sind.

Kann ein Schutzstatus widerrufen werden?

Grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass ein Schutzstatus als Asylberechtigter, Flüchtling nach der Genfer Flüchtlingskonvention oder subsidiär Schutzberechtigter oder ein vorläufiger Abschiebeschutz vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge widerrufen werden kann, wenn sich die Lage vor Ort grundlegend und nachhaltig verbessert hat (§ 73 Abs. 1, S.1 Nr. 5 AsylG). Das Aufenthaltsrecht sieht in diesem Fall vor, dass ein Aufenthaltstitel entzogen werden kann (§52 AufenthG). Hierfür müssten sich die politischen und humanitären Verhältnisse in Syrien allerdings grundlegend und nachhaltig verbessern, was derzeit noch nicht abgesehen werden kann. Analog zu den Asylverfahren handelt es sich um eine Einzelfallentscheidung, die vor den Gerichten angefochten werden kann. Gleiches gilt für den Entzug eines Aufenthaltstitels. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass diese Verfahren das BAMF und die Gerichte stark belasten werden. Auch in einem optimistischen Szenario über die künftige Lage in Syrien könnte dies leicht mehrere Jahre in Anspruch nehmen, bis tatsächlich in einem größeren Umfang syrische Schutzangehörige, die gegenwärtig einen anerkannten Schutzstatus besitzen, abgeschoben werden können (vgl. ausführlich Thym 2024). Personen, die bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder in der Zwischenzeit erwerben, sind davon nicht betroffen. Die Voraussetzungen für den Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit verändern sich durch die jüngste Entwicklung in Syrien nicht.

Wie viele Syrerinnen und Syrer wollen in Deutschland bleiben?  

Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten (Brücker, Rother, Schupp 2017) erhebt regelmäßig die Bleibeabsichten von geflüchteten Personen in Deutschland. Diese Daten wurden jedoch unter den bis vor Kurzem bestehenden – von Krieg, Bürgerkrieg und Verfolgung geprägten – Bedingungen in Syrien erhoben und lassen sich daher nicht unmittelbar auf die neue Situation nach dem Sturz des Assad-Regimes übertragen. In der damaligen Erhebung gaben 94 Prozent der zwischen 2013 und 2019 eingereisten, in Syrien geborenen Geflüchteten an, dauerhaft in Deutschland bleiben zu wollen (eigene Berechnungen basierend auf der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten; DOI: 10.5684/soep.iab-bamf-soep-mig.2022).

Wie sich die Bleibeabsichten unter den veränderten politischen und humanitären Bedingungen in Syrien entwickeln werden, ist derzeit spekulativ. Aus der Migrationsforschung lassen sich jedoch einige grundsätzliche Überlegungen ableiten:

  • Erstens nimmt die Rückkehrneigung mit zunehmender Aufenthaltsdauer tendenziell ab. Da ein Großteil der syrischen Geflüchteten bereits fünf Jahre oder länger, ein erheblicher Teil sogar rund ein Jahrzehnt in Deutschland lebt, wurde ihre Bindung an das Aufnahmeland gestärkt. Ähnliche Muster zeigen sich etwa bei ukrainischen Geflüchteten, bei denen die Rückkehrabsichten mit längerem Aufenthalt ebenfalls abnehmen (Brücker et al. 2023).
  • Zweitens spielen institutionelle Rahmenbedingungen eine wesentliche Rolle. Wenn etwa – wie bei EU-Staatsangehörigen – auch nach einer Rückkehr ins Herkunftsland weiterhin die rechtliche Option besteht, wieder nach Deutschland kommen zu können, erhöht dies in der Regel die Rückwanderungsraten. Übertragen auf die syrischen Geflüchteten bedeutet dies, dass jene, die inzwischen die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, unter sonst gleichen Bedingungen eher bereit sein könnten, vorübergehend oder dauerhaft nach Syrien zurückzukehren, da sie grundsätzlich die Möglichkeit hätten, jederzeit erneut nach Deutschland einzureisen. Für syrische Staatsangehörige ohne entsprechende aufenthaltsrechtliche Optionen in Deutschland ist eine solche Rückkehrentscheidung hingegen mit deutlich höheren Risiken verbunden, wodurch die Anreize zum Verbleib in Deutschland steigen.

Wie entwickeln sich Erwerbstätigkeit und Beschäftigung von Syrerinnen und Syrern?

Generell vollzieht sich die Integration geflüchteter Personen zunächst langsamer als die anderer Migrationsgruppen. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigen jedoch Erwerbstätigkeit und Beschäftigung deutlich an (Brücker et al 2024) – dies gilt auch für syrische Geflüchtete. So belief sich bei den in Syrien geborenen Geflüchteten die Erwerbstätigenquote im ersten Jahr nach dem Zuzug auf unter zehn Prozent. Nach sieben Jahren Aufenthalt erhöhte sie sich auf rund 61 Prozent (siehe Abbildung 1). Auch für die im Jahr 2015 zugezogene syrische Kohorte zeigen aktuelle Daten eine ähnliche Entwicklung: Ihre Erwerbstätigenquote belief sich im Jahr 2022 bereits auf 60 Prozent und dürfte seitdem weiter zugenommen haben (eigene Berechnungen basierend auf der IAB-BAMF-SOEP-Befragung von Geflüchteten; DOI: 10.5684/soep.iab-bamf-soep-mig.2022).

Zum Vergleich: Im Jahr 2022 lag die durchschnittliche Erwerbstätigenquote der Bevölkerung mit eigener Migrationserfahrung in Deutschland – das heißt der selbst zugezogenen Migrantinnen und Migranten – bei 70 Prozent, während die der Gesamtbevölkerung bei 77 Prozent lag (Statistisches Bundesamt 2023). Zwar besteht für Syrerinnen und Syrer noch ein Abstand zu diesen Durchschnittswerten, jedoch haben sich ihre Erwerbstätigenquoten bereits deutlich angenähert. Berücksichtigt man zudem den steigenden Trend mit zunehmender Aufenthaltsdauer, ist von einer weiteren Annäherung an das Niveau der einheimischen Bevölkerung auszugehen.

Die Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit bietet nur eingeschränkte Möglichkeiten zur Beurteilung der Erwerbsverläufe von Individuen und Zuzugskohorten, da sie keine Informationen zur Aufenthaltsdauer berücksichtigt und sich nur auf abhängige Beschäftigung bezieht. Im September 2024 waren in Deutschland 287.000 syrische Staatsangehörige abhängig beschäftigt, davon 82 Prozent (236.000) sozialversicherungspflichtig. Die daraus resultierende Beschäftigungsquote von 42 Prozent (Statistik der Bundesagentur für Arbeit 2024) lag deutlich über dem Wert von 8 Prozent zum Jahresende 2015. Somit ist auch in der Beschäftigungsstatistik ein deutlicher Anstieg über die Zeit zu verzeichnen.

Die durchschnittliche Beschäftigungsquote der syrischen Staatsangehörigen weicht dennoch deutlich von den Erwerbstätigenquoten der 2015 zugezogenen Kohorte oder den Erwerbstätigenquoten bei einer Aufenthaltsdauer von 7 Jahren ab. Dies ist nicht auf Unterschiede in den Erhebungsmethoden zurückzuführen. Im Gegenteil, die Ergebnisse der IAB-BAMF-SOEP-Befragung weichen bei gleicher statistischer Abgrenzung um weniger als einen Prozentpunkt von den Ergebnissen der Beschäftigungsstatistik ab (Brücker et al. 2024). Die Unterschiede sind vielmehr auf diese drei Ursachen zurückzuführen:

  • Erstens sind über 60 Prozent der syrischen Staatsangehörigen nach 2015 zugezogen (Statistisches Bundesamt 2024c). Jüngere Zuwanderungskohorten weisen aufgrund ihrer kürzeren Aufenthaltsdauer im Durchschnitt niedrigere Erwerbstätigen- und Beschäftigungsquoten auf.
  • Zweitens erfasst die Beschäftigungsstatistik ausschließlich Personen mit syrischer Staatsangehörigkeit und damit nur eine Teilgruppe der nach Deutschland zugezogenen Geflüchteten, die in Syrien geboren ist. Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung berücksichtigt hingegen auch frühere Schutzsuchende aus Syrien, die inzwischen eingebürgert wurden. Diese Gruppe hat im Durchschnitt höhere Erwerbstätigen- und Beschäftigungsquoten als die der Syrerinnen und Syrer mit ausländischer Staatsangehörigkeit.
  • Drittens umfasst die Statistik der Bundesagentur für Arbeit nur abhängige Beschäftigung und schließt Selbstständige sowie Beamte aus. Zwar spielen Beamte bei dieser Personengruppe faktisch keine Rolle, jedoch ist inzwischen ein gewisser Anteil der syrischen Geflüchteten selbstständig tätig. Deshalb führt auch dies dazu, dass die Beschäftigungsquoten etwas niedriger als die Erwerbstätigenquoten ausfallen.

Aufgrund dieser Faktoren lassen sich aus der Beschäftigungsstatistik nur bedingt Rückschlüsse auf den Verlauf der Arbeitsmarktintegration syrischer Schutzsuchender ziehen. Insbesondere ist es nicht möglich, den Integrationsstand der 2015 eingereisten Gruppe allein anhand der Beschäftigungsstatistik verlässlich zu beurteilen.

Warum dauert die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten länger als bei anderen Migrantinnen und Migranten?

Die Arbeitsmarktintegration von Geflüchteten vollzieht sich in der Regel langsamer als bei anderen Migrantengruppen. Mit zunehmender Aufenthaltsdauer nähern sich ihre Erwerbstätigkeitsquoten an diejenigen der anderen Migrantinnen und Migranten und des Bevölkerungsdurchschnitts an. Die empirische Evidenz zeigt, dass es für die verzögerte Arbeitsmarktintegration drei zentrale Ursachenkomplexe gibt:

  • Erstens sind Geflüchtete schlechter als andere Migrantinnen und Migranten auf die Migration beziehungsweise die Flucht vorbereitet. Das heißt, sie verfügen oft nur über begrenzte Informationen, haben vor ihrer Ankunft weder Arbeitsstellen noch Wohnungen sicher und können meist auf deutlich kleinere persönliche und berufliche Netzwerke zurückgreifen als andere Migrantinnen und Migranten (Kosyakova, Kogan 2022). Zudem sind sie häufig infolge von Krieg, Verfolgung und Flucht erheblichen psychischen Belastungen ausgesetzt, die wiederum die Arbeitsmarktintegration beeinträchtigen können (Walther et al. 2020).
  • Zweitens verzögern rechtliche und bürokratische Barrieren wie Beschäftigungsverbote, Länge und Ausgang der Asylverfahren oder Wohnsitzauflagen und Ähnliches die Arbeitsmarktintegration (Kosyakova, Brenzel 2020; Marbach et al. 2018). Diese Einschränkungen können selbst nach ihrem Wegfall mittel- bis langfristig negative Folgen für die Integration entfalten, etwa weil Erwerbserfahrungen und Netzwerke nicht aufgebaut werden konnten (Brücker et al. 2024; Marbach et al. 2018).
  • Drittens verfügen Geflüchtete häufig nicht über ausreichende Sprachkenntnisse und müssen diese erst erwerben (Kosyakova et al. 2022). Auch formale Qualifikationen, Abschlüsse und Berufserfahrungen sind häufig nur eingeschränkt auf den deutschen Arbeitsmarkt übertragbar, wodurch Umschulungen, Weiterbildungen und Nachqualifizierungen erforderlich werden (Kosyakova, Kogan 2022). Diese Prozesse sind zeitaufwändig und verzögern den Eintritt in den Arbeitsmarkt.

Trotz dieser anfänglichen Hindernisse gelingt es Geflüchteten in Deutschland im Zeitverlauf ähnliche Erwerbstätigkeitsniveaus wie andere Migrantengruppen und die einheimische Bevölkerung zu erreichen.

Warum ist das Gefälle zwischen den Geschlechtern so hoch?

Auch wenn die Erwerbstätigenquoten der geflüchteten syrischen Frauen über die Aufenthaltsdauer hinweg steigen, vollzieht sich dieser Prozess deutlich langsamer als bei ihren männlichen Landsleuten (siehe Abbildung 1). Während die syrischen Männer sieben Jahre nach dem Zuzug mit einer Erwerbstätigenquote von 73 Prozent bereits nahezu das durchschnittliche Niveau der männlichen Bevölkerung in Deutschland erreicht haben (81 %, Statistisches Bundesamt 2023), liegt der Anteil der erwerbstätigen syrischen Frauen nach derselben Zeit mit 29 Prozent noch weit unterhalb des Durchschnitts der Frauen in Deutschland (72 %, Statistisches Bundesamt 2023).

Untersuchungen des IAB haben verschiedene Ursachen für diese Geschlechterdisparitäten identifiziert. Zum einen übernehmen geflüchtete Frauen überproportional häufig familiäre Sorgearbeit, insbesondere bei Kleinkindern, was ihre Erwerbsbeteiligung einschränkt. Zum anderen zeigen sie im Vergleich zu Männern geringere Sprach- und Bildungsinvestitionen in Deutschland und nutzen Beratungs- und Unterstützungsangebote seltener. Zudem waren Frauen in ihren Herkunftsländern häufig seltener erwerbstätig als Männer und verfügten über Berufserfahrungen in Tätigkeitsfeldern, die in Deutschland stärker reglementiert sind, wie beispielsweise im Erziehungs- beziehungsweise Bildungswesen. Dies erschwert die direkte Übertragbarkeit ihrer mitgebrachten Kompetenzen auf den deutschen Arbeitsmarkt (Kosyakova et al. 2021).

Üben Syrerinnen und Syrer überwiegend geringqualifizierte Tätigkeiten aus?

Mit zunehmender Aufenthaltsdauer steigt auch das Qualifikationsniveau der von syrischen Geflüchteten ausgeübten Tätigkeiten. Im ersten Jahr nach der Ankunft in Deutschland waren noch 35 Prozent der syrischen Erwerbstätigen in Helfertätigkeiten beschäftigt, nach sieben Jahren betrug dieser Anteil nur noch 25 Prozent (siehe Abbildung 2). Zum Vergleich: In der Gesamtbeschäftigtenpopulation liegt der entsprechende Anteil bei etwa 16 Prozent (BA-Statistik 2024). Der Anteil der Beschäftigten in Spezialisten- und Expertentätigkeiten – Berufe, die in der Regel eine akademische oder höherqualifizierende Ausbildung erfordern – belief sich sieben Jahre nach dem Zuzug auf 15 Prozent (siehe Abbildung 2). Insgesamt haben somit sieben Jahre nach dem Zuzug 75 Prozent der erwerbstätigen syrischen Geflüchteten qualifizierte Tätigkeiten ausgeübt, die üblicherweise einen Berufs- oder Hochschulabschluss voraussetzen.

Dieses Ergebnis überrascht insofern, als aufgrund des unterschiedlichen Bildungs- und Ausbildungssystems zwar viele Syrerinnen und Syrer eine längere Schulbildung haben, aber sehr selten über formelle berufliche Abschlüsse verfügen, die beispielsweise mit deutschen Abschlüssen im dualen Ausbildungssystem vergleichbar sind.

Wird das berufliche Potenzial der syrischen Geflüchteten ausgeschöpft?

Migration, insbesondere Fluchtmigration, ist häufig mit einer beruflichen Dequalifizierung verbunden. Das ist auch bei den syrischen Geflüchteten zu beobachten. Betrachtet man das Anforderungsniveau der Tätigkeiten, die syrische Geflüchteten vor dem Zuzug nach Deutschland ausgeübt haben, dann ergibt sich eine Dequalizifizierungstendenz (siehe Abbildungen 2 und 3). So gingen vor ihrer Flucht nach Deutschland lediglich 9 Prozent der syrischen Geflüchteten einer Tätigkeit im Helferbereich nach (nach 7 Jahren in Deutschland: 25 Prozent), 66 Prozent gingen einer Fachkrafttätigkeit (nach 7 Jahren in Deutschland: 61 Prozent) und 25 Prozent einer Beschäftigung auf Spezialisten- oder Expertenniveau nach (nach 7 Jahren in Deutschland: 15 Prozent).

Diese Dequalifizierungstendenz kann verschiedene Ursachen haben: unzureichende Sprachkenntnisse, fehlende formale Berufsabschlüsse oder Zertifikate, eingeschränkte Anerkennung vorhandener Qualifikationen oder Unterschiede in Technologien, Produktions- und Organisationsprozessen zwischen Herkunfts- und Aufnahmeland. Es kann auch sein, dass die Tätigkeiten am Ende doch nicht vergleichbar sind. Schließlich kann Arbeitsmarktdiskriminierung eine Rolle spielen.

Trotz dieser Dequalifizierungstendenz zeigt die Entwicklung über die Zeit, dass syrische Geflüchtete ihr Qualifikationspotenzial mit zunehmender Aufenthaltsdauer besser ausschöpfen können. Dennoch bleiben erhebliche ungenutzte Potenziale bestehen.

In welchen Berufen sind die Syrerinnen und Syrer tätig?

Die berufliche und damit auch die branchenspezifische Struktur der Beschäftigung syrischer Geflüchteter unterscheidet sich deutlich nach Geschlecht (siehe Abbildung 4): Syrische Männer sind vorwiegend in Verkehrs- und Logistikberufen (22 %), Fertigungs- und fertigungstechnischen Berufen (zusammen 21 %), im Lebensmittel- und Gastgewerbe (14 %), im Gesundheitswesen (11 %) sowie im Bau- und Ausbaugewerbe (9 %) tätig. Syrische Frauen hingegen arbeiten vorrangig in sozialen und kulturellen Dienstleistungen (28 %), im Gesundheitswesen (18 %), im Lebensmittel- und Gastgewerbe (17 %) sowie im Handel (11 %). Viele dieser Tätigkeitsfelder gelten als Mangelberufe, in denen eine hohe Arbeitskräftenachfrage einem vergleichsweise geringen Arbeitsangebot gegenübersteht. Zudem sind zahlreiche dieser Berufe, etwa im Gesundheitswesen, im Bereich Transport und Logistik oder in der Nahrungsmittelproduktion, systemrelevant. Insgesamt arbeiten 62 Prozent der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Syrerinnen und Syrer in systemrelevanten Berufen im Vergleich zu 48 Prozent der deutschen Beschäftigten (eigene Berechnungen auf Grundlage der BA Beschäftigungsstatistik).

Fazit

Die zukünftige Entwicklung in Syrien ist nach dem Sturz des Assad-Regimes weiterhin ungewiss. Welche politischen, humanitären und sozialen Konsequenzen dieser Umbruch für das Land und seine zahlreichen ethnischen und religiösen Minderheiten haben wird, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Entsprechend ist auch unklar, wie sich die Migrationsdynamiken, einschließlich Rück- oder Neuzuwanderung, verändern werden. Aus Sicht der Migrationsforschung ist jedoch davon auszugehen, dass aufgrund der bereits langen Aufenthaltsdauer sowie der ausgeprägten Bleibewünsche die Mehrheit der syrischen Geflüchteten in Deutschland bleiben möchte. Frühere Befragungen zeigen ein stark ausgeprägtes Interesse an einem dauerhaften Verbleib in Deutschland, wenngleich sich diese Einstellung unter veränderten Bedingungen teilweise wandeln könnte. Allgemein spricht vieles dafür, dass freiwillige Rückkehrentscheidungen durch die Option eines erneuten Aufenthalts in Deutschland erleichtert werden. Das Beispiel der EU-Binnenmigration zeigt, dass flexible Migrationsregime mit hohen Rückwanderungsraten einhergehen können.

Zur Beurteilung des Integrationsverlaufs syrischer Geflüchteter ist die Verfügbarkeit geeigneter Daten entscheidend. Die IAB-BAMF-SOEP-Befragung bietet hier eine solide Grundlage, um repräsentative Aussagen über die zwischen 2013 und 2019 nach Deutschland geflohenen Menschen treffen zu können. Die Daten belegen, dass zwar die Erwerbstätigenquoten in den ersten Jahren nach dem Zuzug niedrig sind, sieben Jahre später jedoch bereits 61 Prozent der syrischen Geflüchteten erwerbstätig sind – Tendenz weiter steigend. Dies zeigt deutlich, dass das Arbeitskräftepotenzial dieser Gruppe bei Weitem noch nicht ausgeschöpft ist.

Im September 2024 waren 287.000 syrische Staatsangehörige in Deutschland beschäftigt, davon 82 Prozent sozialversicherungspflichtig. Mit 42 Prozent liegt ihre durchschnittliche Beschäftigungsquote allerdings noch deutlich unter den 61 Prozent, die nach sieben Jahren seit dem Zuzug erreicht werden. Dies erklärt sich vor allem daraus, dass viele syrische Geflüchtete erst nach 2015 eingereist sind und sich somit noch in einer frühen Phase des Integrationsprozesses befinden.

Zudem ist das erhebliche Geschlechtergefälle zu beachten: Während sich die Erwerbstätigkeit syrischer Männer nach sieben Jahren weitgehend dem Durchschnittsniveau annähert, bleibt die Erwerbsbeteiligung syrischer Frauen deutlich hinter der der weiblichen Gesamtbevölkerung zurück. Eine zentrale Rolle spielen dabei familiale Verpflichtungen, geringere Sprach- und Bildungsinvestitionen, Unterschiede im Gesundheitszustand, die Nutzung von Beratungsangeboten sowie die häufigeren mitgebrachten Qualifikationen in Berufen mit Zugangsbeschränkungen.

Das Anforderungsniveau der ausgeübten Tätigkeit steigt zwar mit zunehmender Aufenthaltsdauer, dennoch bleibt insgesamt eine Dequalifizierungstendenz gegenüber dem vor der Flucht ausgeübten Berufsniveau bestehen. Allerdings ist das Qualifikationsniveau der ausgeübten Tätigkeiten höher als angesichts der fehlenden formalen Abschlüsse im deutschen Ausbildungssystem zu erwarten wäre. Die starke Konzentration syrischer Geflüchteter in Mangel- und systemrelevanten Berufen, wie im Gesundheitswesen, im Transport- und Logistikbereich oder bestimmten Fertigungsberufen mit hoher Arbeitsnachfrage, hat zudem arbeitsmarktpolitische Bedeutung.

Der Anteil syrischer Beschäftigter an der Gesamtbeschäftigung in Deutschland liegt bei etwa 0,6 Prozent; berücksichtigt man Eingebürgerte, beträgt dieser Anteil rund 0,8 Prozent. Dies ist etwas höher als der jährliche Rückgang der Erwerbsbevölkerung infolge des demografischen Wandels. Ein Wegfall dieses Potenzials durch Rückkehrmigration wäre zwar auf gesamtwirtschaftlicher Ebene nicht dramatisch, könnte aber regional und branchenspezifisch durchaus spürbare Auswirkungen haben – insbesondere in jenen Branchen, Tätigkeitsfeldern und Regionen, die bereits heute unter Arbeitskräftemangel leiden. Diesen volkswirtschaftlichen Verlusten stehen unter reinen Nützlichkeitserwägungen natürlich auch fiskalische Gewinne gegenüber, wenn im größerem Umfang erwerbslose Personen, die auf Transferleistungen angewiesen sind, ausreisen würden. Da Umfang, Struktur und Umstände einer möglichen Rückwanderung noch völlig offen sind, lässt sich dies zum jetzigen Zeitpunkt jedoch nicht seriös abschätzen. Derartige Erwägungen müssen auch berücksichtigen, dass es vor dem Hintergrund der gegenwärtig noch sehr ungewissen Lage in Syrien immer auch um eine humanitäre Frage geht.

Literatur

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Erhebungszeitraum

2016 bis 2022

Veröffentlichungsdatum

13.12.2024

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