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Kontextinformation zu den Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit

28. April 2023 // Anlage zur Beratungsunterlage 35/2023

1 Ausgangslage

Gemäß Artikel 4 der Satzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) unterliegen die Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dem Zustimmungsvorbehalt des Verwaltungsrats.

Die Bestimmung der Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit erfolgte in der Vergangenheit nicht in Form einer eigenständigen Explikation, sondern eingebettet in Beschlussdokumente, die anderen Zwecken dienten. So werden „Charakteristika des IAB“ ausführlich im Rahmen des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 24. Oktober 2003 zur Errichtung des IAB als besondere Dienststelle (Geschäftsanweisung vom 16. Juni 2004) umrissen (siehe unten, 2.2).

Im Zuge von Beratungen des Verwaltungsrats über die Organisation und Ausrichtung seiner Beratungsunterlagen ist der Wunsch formuliert worden, eine separate Explikation der Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit des IAB zur Beschlussfassung vorgelegt zu erhalten.

Diese Anlage stellt den Regelungsrahmen der Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit des IAB dar.

2 Regelungsrahmen

Der Begriff der Grundlinien wissenschaftlicher Arbeit des IAB ist im Hinblick auf seine Reichweite und seinen Inhalt im Lichte verfassungsrechtlicher, gesetzlicher und untergesetzlicher Bestimmungen näher zu bestimmen. Die Explikation der Grundlinien muss in negativer Abgrenzung sicherstellen, dass die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit nicht verletzt wird und die Zweckbestimmung der Forschung gemäß Sozialgesetzbuch gewahrt bleibt.

2.1 Verfassungsrechtliche und gesetzliche Regelungen

Wissenschaftsfreiheit

„Kunst und Wissenschaft, Forschung und Lehre sind frei.“ (Artikel 5 Absatz 3 Grundgesetz). Damit ist sowohl ein sachlicher wie ein persönlicher Schutzbereich garantiert. Der sachliche Schutzbereich bewahrt wissenschaftliche Tätigkeit („jede Tätigkeit, die nach Inhalt und Form als ernsthafter planmäßiger Versuch der Wahrheitsermittlung anzusehen ist“) und ihre vorbereitenden und unterstützenden Handlungen vor Eingriffen. Konkret geschützt sind insbesondere die Auswahl leitenden Personals – 1 BvR 748/06 –, Themenwahl, Organisation der Forschung, Methodenwahl, Vorarbeiten und Materialsammlung, Analyse des Stands der Forschung, Zugang und Nutzung allgemein zugänglicher Quellen, Mitteleinwerbung, Feststellung von Ergebnissen, Wahl von Veröffentlichungsort und -zeitpunkt. Der persönliche Schutzbereich ist durch die Eigenschaft der Wissenschaftsfreiheit als „Jedermanngrundrecht“ gekennzeichnet, das heißt geschützt ist jede Person, die​ eigenverantwortlich in wissenschaftlicher Weise tätig ist oder werden will – davon abgeleitet auch Universitäten und wissenschaftliche Einrichtungen. Sächlicher und persönlicher Schutzbereich finden ihre Grenzen in der Grundrechtskonkurrenz zu anderen Verfassungsgütern.

Arbeitsmarkt- und Berufsforschung

Die Bundesagentur für Arbeit hat die „Wirkungen der aktiven Arbeitsförderung zu beobachten, zu untersuchen und auszuwerten, indem sie (…) Arbeitsmarkt- und Berufsforschung betreibt (…) (§ 280 Sozialgesetzbuch (SGB) III). „Bei der Festlegung von Inhalt, Art und Umfang der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (hat die BA) ihren eigenen Informationsbedarf sowie den des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales zu berücksichtigen. (…) Die Untersuchung der Wirkungen der Arbeitsförderung ist ein Schwerpunkt der Arbeitsmarktforschung. Sie soll zeitnah erfolgen und ist ständige Aufgabe des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung.“ (§ 282 SGB III). § 282 Absatz 3 und 4 präzisieren die Wirkungsforschung; diese soll unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Zielsetzungen des SGB III Auswirkungen der Teilnahme an einer Maßnahme auf Vermittlungsaussichten und Beschäftigungsfähigkeit, Kosten-Nutzen-Verhältnis von Maßnahmen, volkswirtschaftliche Nettoeffekte von Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, Auswirkungen auf Erwerbsverläufe sowie Wirkungen der Arbeitsförderung auf regionaler Ebene untersuchen.

Wirkungsforschung Bürgergeld / Grundsicherung

„Die Wirkungen der Leistungen zur Eingliederung und der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts sind regelmäßig und zeitnah zu untersuchen und in die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nach § 282 des Dritten Buches einzubeziehen. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und die Bundesagentur können in Vereinbarungen Einzelheiten der Wirkungsforschung festlegen.“ (§ 55 SGB II)

2.2 Untergesetzliche Regelungen

Satzung der Bundesagentur für Arbeit

„Der Zustimmung des Verwaltungsrats bedürfen (…) die Festlegung der Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit der des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung“ (Artikel 4 Satzung der Bundesagentur für Arbeit, siehe auch § 373 Absatz 5 SGB III).

Beschluss des Verwaltungsrats zur Errichtung des IAB als besondere Dienststelle

Im Rahmen des Beschlusses des Verwaltungsrats vom 24. Oktober 2003 zur Errichtung des IAB als besondere Dienststelle wurde festhalten:

„Charakteristika des IAB: Das IAB ist ein wissenschaftliches Forschungszentrum, dessen Arbeit kontinuierlich und langfristig angelegt ist. Sein besonderer Vorteil liegt dabei darin, dass es alle relevanten Bereiche des Arbeitsmarktes untersucht. Diese umfassende Erforschung ermöglicht es, bereichsübergreifende Fragestellungen ganzheitlich und aus dem Blickwinkel unterschiedlicher Disziplinen zu beantworten. Damit wird gebündeltes Wissen erzeugt, das eine hohe Beratungskompetenz für Politik und Praxis sichert.

Außerdem ist für das IAB charakteristisch, dass es eine stark empirische Ausrichtung hat. Dies äußert sich auch in der Verwendung von Massendaten aus eigenen Großerhebungen und solchen, die durch administrative Prozesse selbst produziert werden („Verwaltungsprozessdaten“). Diese erlauben eine besonders genaue und auch die Abläufe nachvollziehende Analyse von Wirtschaft und Gesellschaft. Die große Erfahrung im Umgang mit prozessproduzierten Massendaten ist ein wesentlicher Standortvorteil des IAB in der Forschung.

Als Teil der Bundesagentur für Arbeit nimmt das IAB auch für die externe Wissenschaft die Funktion eines ‚Brückenkopfes‘ wahr. Es ist Partner der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen. Dazu gehört, dass es Daten bereitstellt und eine Servicefunktion bei der Nutzbarmachung einnimmt.

In die gleiche Richtung geht die Aktivität zum Aufbau eines Forschungsdatenzentrums (FDZ) der Bundesagentur für Arbeit. Das IAB verfügt über profunde Sachkenntnis im Umgang mit den „Prozessdaten“. Es trägt wesentlich dazu bei, dass die Belange der Forschung bei der Genese von Daten frühzeitig berücksichtigt werden und unterstützt damit auch weiterhin die Öffnung des Datenzuganges und den Wettbewerb im Wissenschaftsbereich.“

(Geschäftsanweisung „Errichtung des IAB als besondere Dienststelle“ vom 16. Juni 2004)

IAB-Drittmittelkonzept

„(Das IAB) unterliegt nicht den fachlichen Weisungen des Vorstands oder der Selbstverwaltung der BA, ein Einflussrecht auf Programm und Durchführung der Forschung gibt es nicht (…). Weder die BA und ihre Selbstverwaltung noch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) haben daher die Kompetenz, konkrete Bestimmungen zu Gegenstand und Inhalt der Forschung zu treffen. Das heißt, ein fachliches Einzelweisungsrecht ist unzulässig.“ (IAB-Drittmittelkonzept, Beschluss des Verwaltungsrats, Beratungsunterlage 84/2015 vom 17. Juli 2015).