Version 1.0. // 1. Juli 2023
Zusammenfassung
Gemäß Artikel 4 der Satzung der Bundesagentur für Arbeit (BA) unterliegen die Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) dem Zustimmungsvorbehalt des Verwaltungsrats. Eine ausstrahlende Wirkung auf die Ausrichtung der Wirkungsforschung nach § 55 Absatz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) II besteht nicht.
Der Begriff der Grundlinien wissenschaftlicher Arbeit des IAB ist im Hinblick auf seine Reichweite und seinen Inhalt im Lichte verfassungsrechtlicher, gesetzlicher und untergesetzlicher Bestimmungen näher zu bestimmen. Die Explikation der Grundlinien muss in negativer Abgrenzung sicherstellen, dass die grundgesetzlich garantierte Wissenschaftsfreiheit nicht verletzt wird und die Zweckbestimmung der Forschung gemäß Sozialgesetzbuch gewahrt bleibt.
Die Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit des IAB umfassen somit die maßgeblichen wissenschaftlichen und organisatorischen Festlegungen zur
- Erfüllung des gesetzlichen Forschungsauftrags gemäß Sozialgesetzbuch,
- Wahl von Forschungsgegenständen, Methoden, Verfahren zur Feststellung von Ergebnissen und der Auswahl leitenden Personals,
- Sicherung von Innovationspotenzial und Qualität der Forschung,
- Sicherung der Qualität in der Kommunikation von Forschungsergebnissen / Transferleistungen.
Die Zustimmung des Verwaltungsrats der Bundesagentur für Arbeit erfolgte am 12. Mai 2023 auf Grundlage der Beratungsunterlage 35/2023.
1 Erfüllung des gesetzlichen Forschungsauftrags gemäß Sozialgesetzbuch
Eine ständige Aufgabe des IAB ist die Beobachtung des Arbeitsmarktes und seiner Strukturen sowie Wirkungsforschung zu den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktförderung. Die Forschung des IAB umfasst hierfür auch regelmäßige Untersuchungen zu den Handlungen der Arbeitsmarktakteure (Betriebe, Erwerbspersonen, sozialrechtliche Institutionen). Im Rahmen der Wirkungsforschung SGB II befasst sich das IAB u. a. auch mit sozialpolitischen Fragestellungen, beispielsweise zu Fragen der gesellschaftlichen Teilhabe. Weitere für den Arbeitsmarkt maßgebliche institutionelle Strukturen auf Bundes- und Länderebene werden nach Erforderlichkeit in die Untersuchungen eingebunden (z. B. Bildungseinrichtungen). Die Berufsforschung (sowohl unter dem Aspekt des Ausbildungsstellenmarktes wie unter dem Aspekt der strukturierenden Wirkung von Beruflichkeit) stellt einen ständigen Schwerpunkt der IAB-Forschung dar. Das IAB unterhält Regionaleinheiten für die Analyse spezifischer regionaler Bedingungen und regionaler Entwicklungstendenzen auf inner- oder überstaatlicher Ebene. Eine abschließende Festlegung des Themenspektrums der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung erfolgt im Rahmen dieser Grundlinien nicht, um der Wissenschaftsfreiheit nach Artikel 5 Absatz 3 Rechnung zu tragen.
Die Forschung des IAB erfolgt maßgeblich auf Grundlage empirischer Daten aus den administrativen Prozessen nach SGB III und SGB II sowie aus eigenen Befragungen und weiteren Erhebungen. Hinzu kommen Experimente als evidenzgenerierende Forschungsansätze, die in der jüngeren Vergangenheit in der Forschung insgesamt an Bedeutung gewonnen haben.
Im IAB sind insbesondere sozialwissenschaftliche und methodologische Disziplinen vertreten, darunter in angemessenem Umfang Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus der Volkswirtschaftslehre, der Soziologie und der Statistik.
Das IAB identifiziert die erforderlichen Forschungsthemen, hierfür geeignete Methoden und Vorgehensweisen in eigener Verantwortung entsprechend dem Stand der wissenschaftlichen Forschung und gibt hierüber auf Wunsch Rechenschaft ab. Der Informationsbedarf der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales werden durch regelmäßige Konsultationen identifiziert und bei der Planung der IAB-Forschung berücksichtigt.
Bei der Aufstellung des Haushalts der Bundesagentur für Arbeit werden die erforderlichen Mittel für die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung eingeplant.
2 Wahl von Forschungsgegenständen, Methoden und Verfahren zur Feststellung von Ergebnissen und der Auswahl leitenden Personals
Alle Forschenden im IAB genießen die Schutzrechte der Wissenschaftsfreiheit. Das IAB garantiert allen wissenschaftlich Tätigen unter seinen Beschäftigten eigenverantwortliche Entscheidungsmöglichkeiten bei der Spezifikation der Forschungsthemen, bei der Wahl der Methoden und bei der Erarbeitung und Veröffentlichung von Ergebnissen; gegebenenfalls werden Forschende auf externe Publikationsmedien verwiesen.
Die Bundesagentur für Arbeit stellt bei der Auswahl des leitenden Personals, insbesondere bei Direktor*in und Vizedirektor*in des IAB sicher, dass eine wissenschaftlich fundierte (berufungsähnliche) Entscheidung unter Einbeziehung eines wissenschaftlich geprägten und geschlechterparitätisch besetzten Auswahlgremiums erfolgt, dessen Mitglieder mindestens zur Hälfte nicht der Bundesagentur für Arbeit angehören. Die Besetzung leitender Positionen soll in einer gemeinsam mit Hochschulen durchgeführten Berufung erfolgen. Die Beteiligungsrechte des Verwaltungsrats nach § 389 SGB III und der Zustimmungsvorbehalt des Verwaltungsrats nach § 390 SGB III sind zu beachten.
3 Sicherung von Innovationspotenzial und Qualität der Forschung
Das IAB wählt seine Kooperationspartner im In- und Ausland nach Maßgabe wissenschaftlicher Qualität und methodischen Innovationspotenzials frei aus.
Zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit und der Kooperationsnetzwerke sowie zur Erweiterung seines Forschungsportfolios wirbt das IAB Mittel der Forschungsförderung und der Auftragsforschung ein und geht Forschungskooperationen mit externen Partnern ein.
Das IAB verantwortet die Bereitstellung von Forschungsdaten zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Grundsicherungsforschung über das Forschungsdatenzentrum der BA für externe Forscher*innen im In- und Ausland.
Das IAB stellt sicher, dass geeignete Maßnahmen des Qualitätsmanagements implementiert werden, insbesondere:
- Ein unabhängiger wissenschaftlicher Beirat mit hochrangiger Expertise aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung sowie Methodologie. Aufgaben des wissenschaftlichen Beirats sind: Wissenschaftliche Begleitung und Beratung der Arbeit des IAB, regelmäßige Stellungnahme zum Forschungsprogramm sowie zu den Forschungsleistungen des IAB, Beteiligung an Berufungsverfahren für wissenschaftliche Leitungspositionen (Satzung des wissenschaftlichen Beirats vom 1. April 2019).
- Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis einschließlich Ombudsperson und Archivierungsrichtlinie, Einrichtung einer Schwerpunktaufgabe „Quality assurance“ (zuletzt erneuert mit IAB-Regelungen Nr. 2/2021 und 1/2022).
- Einrichtung einer Ethikkommission einschließlich Ethikkodex (siehe IAB-Regelung 2/2020).
Das IAB stellt sich gemäß internationalen Gepflogenheiten der Wissenschaftskommunikation der kollegialen Kritik des Wissenschaftssystems. Neben internen Systemen der Qualitätssicherung werden wesentliche Befunde in sogenannten peer-review-Journals veröffentlicht, so dass eine systematische und unparteiische Prüfung der Forschungsqualität sichergestellt ist.
Das IAB soll in regelmäßigen Abständen, ggf. auch anlassbezogen, durch den Wissenschaftsrat gemäß den Evaluationskriterien für Forschungseinrichtungen mit Ressortforschungsaufgaben (siehe Wissenschaftsrat, Drucks. 1010-23) evaluiert werden. Der Evaluationsantrag beim Wissenschaftsrat erfolgt in Abstimmung mit dem BMAS.
4 Sicherung der Qualität der Kommunikation von Forschungsergebnissen/Transferleistungen
Veröffentlichungen des IAB für nicht-wissenschaftliche Adressatinnen und Adressaten, z. B. in Politik und Praxis, werden systematisch internen Qualitätssicherungsprozessen unterworfen.
Für die Beantwortung von Beratungsanfragen u. a. von Verwaltung, Ressorts, Sozialpartnern, Parteien, Verfassungsorganen folgt das IAB Leitlinien guter wissenschaftlicher Politikberatung (implementiert im Dezember 2010). Insbesondere basiert die Politikberatung auf methodisch-fachwissenschaftlicher Erkenntnis, einer systematischen Auftragsklärung, dem Vier-Augen-Prinzip und einer Rückkopplung mit den Beratungsempfängerinnen und -empfängern. Um die Qualität von Beratungsinhalten sicherzustellen, werden die Inhalte in der Regel veröffentlicht und unterliegen somit der kollegialen Kritik.
5 Anlage „Kontextinformationen“
Die Anlage enthält Kontextinformation zu den Grundlinien der wissenschaftlichen Arbeit und deren Regelungsrahmen. Sie ist Bestandteil des Beschlussvorschlags.