Zu den Auswirkungen von Arbeitslosigkeit auf das Wohlbefinden gibt es bereits eine Vielzahl von Studien (für einen Überblick s. z.B. Suppa 2021). Allerdings basieren diese in der Regel nicht auf hochfrequenten (also in kurzen Zeitabständen erfassten) Daten und erheben meist nur ausgewählte Dimensionen des Wohlbefindens. Im Rahmen eines DFG-geförderten Projektes befragte das „German Job Search Panel“ (GJSP) in den Jahren von 2017 bis 2021 zunächst arbeitsuchend gemeldete Personen daher monatlich zu ihrem Wohlbefinden. Die Erhebung erfolgte mit einer innovativen Smartphone-App. Anhand der Cortisolkonzentration im Haar wurde zudem die Stressbelastung der Befragten gemessen. Auf dieser Basis lässt sich sehr differenziert untersuchen, wie sich kritische Lebensereignisse - wie ein Eintritt in Arbeitslosigkeit - auf das Wohlbefinden auswirken.
Zielgruppe der Befragung waren Personen, die sich zunächst arbeitsuchend gemeldet hatten. Denn ein zentrales Ziel des Projektes war es, den Auswirkungen des Eintritts in Arbeitslosigkeit auf die verschiedenen Facetten des Wohlbefindens nachzugehen. Nur ein Teil der Personen, die sich als arbeitssuchend registrieren, wird tatsächlich arbeitslos. Damit steht eine natürliche Vergleichsgruppe für diejenigen Personen zur Verfügung, die tatsächlich arbeitslos werden. Dies gilt insbesondere für Personen, die von Massenentlassungen und Betriebsschließungen betroffen waren. Denn bei diesen hängt die Wahrscheinlichkeit des Arbeitsplatzverlustes vornehmlich von externen Faktoren ab. Insgesamt nahmen anfangs knapp 1.900 Personen an einer ersten Kohorte und knapp 1.000 Personen an einer zweiten Kohorte des GJSP teil. Zwei Methodenberichte erläutern das Design der Befragung und die Selektion in die Befragung in Detail (Hetschko et al. 2022, Schmidtke et al. 2023).
Das GJSP ermöglicht es unter anderem, die unmittelbaren Effekte des Eintritts in Arbeitslosigkeit bei zuvor arbeitssuchend gemeldeten Personen zu untersuchen. Wie ein erstes Teilprojekt (Lawes et al. 2023) zeigt, hat Arbeitslosigkeit unmittelbare negative Effekte auf die Zufriedenheit mit dem Haushaltseinkommen. Bei Personen, die sich aufgrund einer Entlassungswelle arbeitssuchend gemeldet hatten, sank mit Eintritt in die Arbeitslosigkeit auch unmittelbar die Lebenszufriedenheit. Wenn Personen aus anderen Gründen arbeitslos wurden, stieg beim Eintritt in die Arbeitslosigkeit hingegen die Zufriedenheit mit der Freizeit, und die Lebenszufriedenheit sank erst mit fortschreitender Zeit in Arbeitslosigkeit. Andere untersuchte Dimensionen des Wohlbefindens veränderten sich hingegen durch den Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht signifikant.
Durch die wiederholte Messung von Haarcortisol untersuchte ein weiteres Teilprojekt (Lawes et al. 2022) erstmals, wie sich die Arbeitssuche auf einen Biomarker für chronischen Stress auswirkt. Der Cortisolgehalt war kurz nach der Meldung als „arbeitsuchend“ am höchsten - also in einer Zeit mit tendenziell hoher Unsicherheit bezüglich der beruflichen Zukunft. In der Folge sank das Haarcortisol - unabhängig davon, ob die Betroffenen tatsächlich arbeitslos wurden. Zudem hatten bereits länger arbeitslose Personen eine höhere Haarcortisol-Konzentration, wenn sie ihre Wiederbeschäftigungschancen vergleichsweise schlecht einschätzten. Körperlichen Stress löst der Eintritt in Arbeitslosigkeit also nur dann aus, wenn Menschen davon ausgehen, dass ihre Wiederbeschäftigungsmöglichkeiten gering sind. Schmidtke et al. (2023) zeigten schließlich in einem weiteren Teilprojekt, dass die Covid-19-Pandemie nur schwache und vorübergehende Effekte auf die allgemeine Lebenszufriedenheit hatte. Die mentale Gesundheit der Befragten war hingegen stärker beeinträchtigt. Insbesondere traf dies auf Menschen in Kurzarbeit zu. Insgesamt zeigten sich aber gewisse Anpassungseffekte an die Krise: Die zweite Welle der Pandemie wirkte sich geringer auf die Lebenszufriedenheit und die mentale Gesundheit aus als die erste Welle.
IAB-Forschungsbericht 19|2023: Das „German Job Search Panel“: Die Effekte von Arbeitslosigkeit und Covid19 auf das Wohlbefinden
Begleitendes Interview zum Forschungsbericht: Cortisolmessungen zeigen: Nicht unbedingt Arbeitslosigkeit, sondern vor allem berufliche Unsicherheit führt zu erhöhtem chronischem Stress
Ergänzendes Themendossier der IAB-Infoplattform: German Job Search Panel (GJSP)
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