Er hatte ein großes Herz für die Arbeitsmarkt- und Berufsforschung. Jetzt hat es aufgehört zu schlagen. Christian Brinkmann ist am 5. Mai 2025 im Alter von 82 Jahren von uns gegangen. Das IAB hat ihm viel zu verdanken.
Christian Brinkmann war von 1969 bis 2005 am IAB tätig. Er hat das Institut in vielfältiger Weise in seiner Entwicklung vorangebracht. Davon zeugt nicht zuletzt die fast 200 Einträge umfassende Liste an Publikationen aus dieser Zeit.
Brinkmann begann seine IAB-Karriere im damaligen Forschungsbereich Soziologie mit empirischen Untersuchungen zu der beruflichen Situation besonderer Zielgruppen der Arbeitsmarktpolitik, unter anderem zur Frauenerwerbstätigkeit und zur Ausbildung behinderter Jugendlicher in Berufsbildungswerken. Maßgeblich beteiligt war er auch an der ersten großen Verlaufsstudie des IAB zu den Erwerbsverläufen von männlichen Erwerbspersonen.
Es folgten Studien zu Fragen der Weiterbildungsbeteiligung von Erwerbstätigen. Ein Thema, das in den beginnenden 1970er Jahren vom Europarat die Debatte in Deutschland bestimmte und für die Politik der BA zur Förderung von Fortbildung und Umschulung und aufgrund seiner arbeitsmarktpolitischen Relevanz von erheblicher Bedeutung war. Insofern bahnte sich schon in diesen frühen Jahren sein Interesse an der Evaluationsforschung an, die dann später zu einem seiner Forschungsschwerpunkte wurde.
Im Zusammenhang mit der seit der ersten großen Rezession 1966/67 kontinuierlich ansteigenden Arbeitslosigkeit in der Bundesrepublik führte er gemeinsam mit Karen Schober, seiner späteren Ehefrau, in den Jahren von 1974 bis 1978 eine umfangreiche Untersuchung zu Ursachen und Auswirkungen von Arbeitslosigkeit durch, in Anlehnung an die legendäre Studie von Marie Jahoda aus den 30er Jahren über die Arbeitslosen von Marienthal, die ihn deutschlandweit zu einem anerkannten Experten der Arbeitslosenforschung machte. Dabei beschäftigten ihn im Besonderen auch die psychosozialen Auswirkungen von Arbeitslosigkeit.
1972 wechselte er dann in den damaligen Forschungsbereich Kurzfristige Arbeitsmarktprognose und Regionalforschung zu Lutz Reyher, dem stellvertretenden Institutsleiter, und wandte sich dann vermehrt volkswirtschaftlichen Themen zu, etwa durch seine Mitarbeit an Arbeitsmarktprognosen des IAB, ohne dabei die soziologische Perspektive auf das Arbeitsmarktgeschehen außer Acht zu lassen.
Seit dem Jahr 1991 leitete er den Forschungsbereich Wissenschaftliche Praxisbegleitung, der später in den Forschungsbereich Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik überging. Im Jahr 2004 übernahm er am IAB die neugeschaffene Einheit für Koordination der Evaluationsforschung, die er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand im Jahr 2005 leitete. In diesem Rahmen entwickelte er maßgeblich die organisatorischen Strukturen für die Forschung des IAB zu der damals neugeschaffenen Grundsicherung für erwerbsfähige Hilfebedürftige.
Aber auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand hat ihn das IAB nicht losgelassen. Gemeinsam mit Kollegen aus der Gründungszeit des IAB hat er die Geschichte des Instituts aufgearbeitet und in einem Jubiläumsband anlässlich des 40. Geburtstags des IAB publiziert (C. Brinkmann, W. Karr, J. Kühl, G. Peters, F. Stooß (2007): 40 Jahre IAB. Ein Rückblick auf Forschung und Politikberatung. IAB Bibliothek 307).
Persönlich zeichnete Christian Brinkmann seine freundliche und fröhliche Art sowie eine große Bereitschaft zur Hilfe und zur Verantwortung aus. In der deutschen Arbeitsmarktforschung, -politik und -verwaltung war er ausgesprochen gut vernetzt, unter anderem als aktives Mitglied in der Deutschen Vereinigung für Sozialwissenschaftliche Arbeitsmarktforschung. Zugleich teilte er seine Kontakte großzügig mit (neuen) Kolleginnen und Kollegen.
Die Anfangsjahre des IAB fielen in die Zeit der ersten sozial-liberalen Koalition, die gekennzeichnet war durch die Mission Mehr Demokratie wagen! Und so war es Christian Brinkmann auch ein Anliegen, in dem größer werdenden Institut demokratische Strukturen zu etablieren. Gemeinsam mit gleichgesinnten Kolleginnen und Kollegen gründete er die IK (Institutskommission), wo anstehende Forschungs- und andere Themen sowie Anliegen der Mitarbeitenden kommuniziert und erörtert werden konnten.
In der Forschung und Politikberatung beschäftigte sich Christian Brinkmann mit einem breiten Themenspektrum. In den 90er Jahren lag ein Schwerpunkt seiner Arbeit auf Transformationsprozessen am Arbeitsmarkt in den neuen Bundesländern infolge der deutschen Vereinigung. Biografisch gesehen kehrte er, der in der DDR aufgewachsen war, mit diesem Thema ein Stück weit zu seinen Wurzeln zurück. Der Ost-West-Konflikt, der Mauerbau und der Kalte Krieg hatten auch sein Leben geprägt. Seine Erfahrungen als Kind in der DDR, er war 1956 nach Westberlin übergesiedelt, hatte er gemeinsam mit ehemaligen Mitschülerinnen und Mitschülern auch in einem Buch dokumentiert (Schleicher, Jürgen (Hrsg.), (2012): Immer auf der Hut: Ostschüler in Westberlin - Als die Mauer dazwischen kam, Berlin 2012).
Ab Ende der 90er Jahre beschäftigte er sich dann zunehmend mit Fragen der Evaluation von Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik, einem Thema, dem er bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand treu blieb. Ein wichtiges Anliegen war ihm dabei stets auch die Erschließung von Prozessdaten der Bundesagentur für Arbeit für die Forschung, ohne die tragfähige Wirkungsanalysen moderner Prägung heute undenkbar wären. Die Evaluation arbeitsmarktpolitischer Maßnahmen ist seitdem ein zentrales Element der evidenzbasierten Politikberatung des IAB.
Es ist uns ein großes Anliegen, Christian Brinkmann posthum für seine langjährige und außerordentlich wertvolle Arbeit für das IAB zu danken. Seinen Angehörigen gilt unser tief empfundenes Mitgefühl.
Gesine Stephan, Ulrich Walwei