Methodische und inhaltliche Aspekte der Stillen Reserve
Abstract
"Anders als die amtliche Statistik berechnet das IAB auf der Angebotsseite des Arbeitsmarktes ein Erwerbspersonenpotential, d.h. neben Erwerbstätigen und registrierten Arbeitslosen (Erwerbspersonen der amtlichen Statistik) wird in die Arbeitsmarktbilanz eine sog. Stille Reserve mit einbezogen. Das Erwerbspersonenpotential ist definiert als die Gesamtzahl der bei Hochkonjunktur am Arbeitsmarkt Arbeit nachfragenden Personen. Die Stille Reserve ist der Teil des Erwerbspersonenpotentials, der statistisch auf dem "offiziellen" Arbeitsmarkt nicht erfaßt wird. Dabei läßt sich ein aktiver und ein passiver Teil der Stillen Reserve unterscheiden. Ferner ist gegenbenenfalls nach der Fristigkeit der Verfügbarkeit bzw. Aktivierbarkeit der Stillen Reserve zu differenzieren, da bei schlechter Arbeitsmarktlage Erwerbspersonen z.B. vorzeitig auf die Dauer aus dem Erwerbsleben ausscheiden und demzufolge auch bei einer schnellen Besserung der Arbeitsmarktlage erst bei den nachfolgenden Jahrgängen wieder mit einer höheren Erwerbsbeteiligung zu rechnen wäre.<br> Das Problem der Quantifizierung der Stillen Reserve geht das IAB pimär mit Hilfe regressionstechnischer Verfahren und ergänzend durch Befragungen an. Zur besseren Strukturierung der Stillen Reserve wird arbeitsmarktbedingtes vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben in seiner quantitativen Bedeutung abgeschätzt.<br> Ergänzend zur überwiegend regressionsanalytischen Berechnung der Stillen Reserve hat das IAB 1978, 1980 und 1986 repräsentative Befragungen zu Erwerbswünschen und Erwerbsbeteiligung von Frauen durchgeführt. Die Ergebnisse der 1986er Erhebung lassen erkennen, daß es neben den registrierten Arbeitslosen gut 700 000 deutsche Frauen gibt, die zumindest latent erwerbsbereit sind und sich in den letzten 12 Monaten auch überwiegend mehrmals (vergeblich) um Arbeit bemüht haben - mehr sogar, als für sie als Stille Reserve ausgewiesen wird. Hier spielt vor allem eine Rolle, daß Stille Reserve grundsätzlich der Saldo von Entmutigungs- und zusätzlichen Ermutigungseffekten ist.<br> Die Schätzung von Größenordnungen der Stillen Reserve ist auch das Ziel dreier Untersuchungen anderer Autoren, die in jüngster Zeit veröffentlicht wurden. Es sind dies von M. Stobernack vorgelgte Ergebnisse eines Befragungs-Panels, vom Ministerium für Wirtschaft und Verkehr des Landes Rheinland-Pfalz angestellte statistische Berechnungen sowie von R. Schmidt (IfW) vorgenommene Schätzungen der "Meldequote" von Arbeitslosen. Diese drei Arbeiten werden in ihren unterschiedlichen Ansätzen kurz vorgestellt und die Ergebnisse mit denen des IAB verglichen." (Autorenreferat)
Cite article
Brinkmann, C., Klauder, W., Reyher, L. & Thon, M. (1987): Methodische und inhaltliche Aspekte der Stillen Reserve. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Vol. 20, No. 4, p. 387-409.