Von der Einkommens- zur Arbeitsmarktpolitik. Vollbeschäftigung in weltoffenen Volkswirtschaften bei freischwankenden Wechselkursen und cash-flow-orientierter Finanzpolitik der (Groß-)Unternehmen
Abstract
1. In der lohnpolitischen Theorie und Praxis orientiert man sich in der Bundesrepublik Deutschland immer noch am anti quierten Modell des "geschlossenen Arbeitsmarktes": Arbeit geber- und Arbeitnehmerkartelle fixieren "autonom" das nationale Reallohn- und das nationale Realgewinnniveau, wo raus - je nach Finanzierungs"klima" (=der Liquiditätspoli tik der nationalen Zentralbank) - die jeweiligen Grade und Kombinationen realer Beschäftigung und nominalen Preisniveaus ("Inflationsrate") resultieren. Die Sozialpartner sind so mit für "alles" verantwortlich: Beschäftigungs-, Inflations und Stagflationsgrad (Unterbeschäftigung bei Inflation). 2. Dieses ("Phillippskurven"-) Modell geht gleich zweimal an der Realität der 70er Jahre vorbei: Im weltoffenen System flexibler Wechselkurse bildet sich - noch schneller als bei festen Wechselkursen! - ein welteinheitliches Reallohn- und Realgewinnniveau der am stärksten integrierten Volkswirtschaf ten in Auslandspreisen heraus (nach Verfliegen der Wechsel kurs-Illusionen). In der modernen Groß-Unternehmung domi niert ein von Lohnsatz und Realkosten der Technik unabhängiges Rationalisierungsmotiv: Lohnsummen werden, weil die Liquidität des Unternehmens belastend, gegen Abschreibungen, die die Liquiditäts- und Kapitalposition des Unternehmens stärken, substituiert. Die Folge: Die Gewerkschaften verhalten sich nicht mehr als nationale Reallohnsetzer, sondern internationale Real lohnanpasser, die Arbeitgeber rationalisieren unabhängig von den "Faktorpreisen" (für Arbeit und Technik) Arbeits plätze weg, um Marktstellung und Überlebensfähigkeit ihres Unternehmens zu sichern. 3. Moderne Vollbeschäftigungspolitik kann sich bei diesem - von dem (Welt-)Marktdaten vorgegebenen - Verhalten der Sozial partner weder auf deren Vernunft, noch auf allgemeine ("glo bale" = nationale) Einkommens- und Nachfragepolitik ver lassen und kann auch nicht auf beschäftigungspositive Effekte einer allgemeinen "administrierten" Arbeitszeitreduzierung hoffen. Gezielte Maßnahmen der Arbeitsplatzsicherung und -verbilligung (durch Steuerprämien und Subventionen) sind unerläßlich, soll ("systemimmanente") Unterbeschäftigung bei Inflationsfortgang nicht zum Dauerphänomen marktge steuerter Wirtschaftssystem werden."
Cite article
Hankel, W. (1978): Von der Einkommens- zur Arbeitsmarktpolitik. Vollbeschäftigung in weltoffenen Volkswirtschaften bei freischwankenden Wechselkursen und cash-flow-orientierter Finanzpolitik der (Groß-)Unternehmen. In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Vol. 11, No. 3, p. 289-296.