Norwegen: ein beschäftigungspolitischer Sonderfall?
Abstract
In keinem anderen Industrieland sind die Arbeitskosten so hoch wie in Norwegen. Dennoch zählt Norwegen zu den OECD-Ländern mit der niedrigsten Arbeitslosenquote und rangiert hinter der Schweiz auf Platz zwei. Der Beitrag skizziert die Wirtschaftspolitik Norwegens und geht der Frage nach, wie sich diese eindruckvolle Arbeitsmarktbilanz erklären lässt. Ein zentrales Element sind die 1969 entdeckten Erdöl- und Ergasfelder in Nordsee und eine erfolgreiche makroökonomische Politik. Ein besonderes Aushängeschild der makroökonomischen Steuerung ist die 1992 vereinbarte 'solidarische Alternative', die zu moderaten Lohnabschlüssen zwischen den Sozialpartnern führte. Seit 2001 verfolgt die norwegische Zentralbank die geldpolitische Strategie des 'Inflation Targeting'. Die Leitzinsen wurden erhöht, was die Aufwertung der Krone zur Folge hatte und in realwirtschaftliche Wirkungen mündete. Die Einnahmen aus dem Ölgeschäft werden für künftige Generationen gespart, wobei zu bedenken ist, dass das größte finanzpolitische Risiko darin besteht, dass die Ziele der Wirtschaftspolitik - stetiges Wachstum bei konstanter Inflation - über Arbeitsmarkt und Lohneffekte die öffentlichen Ausgaben zu gefährden droht. Bislang jedoch erweist sich das politische und soziale System Norwegens einer auf Rechtsstaatlichkeit beruhenden tendenziell egalitären Gesellschaft gegen den Wunsch nach einer Maximierung des Gegenwartskonsums resistent. Mit Blick auf Deutschland bleibt festzuhalten, dass eine erfolgreiche Abstimmung von Lohn- und Fiskalpolitik, die Lohnzurückhaltung mit dem Ziel solider Staatsfinanzen verbindet, möglich ist. (IAB)
Cite article
Eichhorst, W. & Feil, M. (2004): Norwegen: ein beschäftigungspolitischer Sonderfall? In: Orientierungen zur Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik No. 102, p. 32-39.