Die Sprache nichtsprachlicher Praxis
Abstract
"Der Arbeitskreis Theoretische Wissenssoziologie hat sich der Aufgabe verschrieben, innerhalb der Sektion 'begriffliche, epistemologische und methodische Hinsichten ausführlich zu behandeln, die in eher empirisch ausgerichteten Arbeitsschwerpunkten der Sektion implizit und explizit berührt, beansprucht, verwendet werden, nicht aber eigens zum Thema gemacht werden' (Renn/Schützeichel o. J.). Angestrebt wird also eine Art wissenssoziologische Selbstbeobachtung, die, zumindest im Idealfall, produktiv auf das empirische Geschäft zurückwirkt. Der vorliegende Beitrag greift dieses Ansinnen auf. Die dahingehend vorgenommene Ausgangsbeobachtung lässt sich unmittelbar am Sektionstitel festmachen. Bekanntermaßen lautete dieser bis vor ca. 15 Jahren noch auf Sprachsoziologie. Einer der Gründe für die Umbenennung fand sich seinerzeit im konstatierten 'Ende der linguistischen Wende', das mithin veränderte empirische Forschungsfokusse indizierten: 'An die Stelle der Analyse eines als eher isolierbar und statisch betrachteten Sprachsystems rückt die Erforschung von Prozessen der Sprachverwendung in sozialen Situationen, also: kommunikatives Handeln' (Knoblauch 2000, S. 54; Herv. d. Verf.). Die so namhaft gemachte Entwicklung wirkt bis heute fort, und dies zweifelsohne am nachdrücklichsten in Gestalt des sog. practice turn. Mit ihm gewannen insbesondere die nichtsprachlichen Konstitutionsbedingungen von gesellschaftlicher Ordnungsbildung an Aufmerksamkeit, dies jedoch nicht ohne Nebeneffekt: der epistemologische Status der Sprache wurde erkennbar geschliffen. Gegenwärtig vollzieht sich eine Wende ins Postsprachliche (vgl. Klemm 2015). Daraus ergeben sich zwar interessante Forschungsperspektiven, die jedoch, das ist die These, ggf. teuer erkauft werden müssen. Die Praxeolgie droht ihren Forschungsgegenstand zu verfehlen, weil sie der wirklichkeitsschaffenden Potenz explizierender sprachlicher Kommunikation theoretisch unzureichend Rechnung trägt. Sie sieht daran vorbei, dass die Sprache das Medium des Aufbaus und der Stabilisierung abstrakter gesellschaftlicher Ordnungen schlechthin ist, weshalb sie vor allem die zeitliche Komplexität des praktischen Vollzugsgeschehens verkennt. Der Beitrag führt dies aus, wird aber ebenso einen Vorschlag unterbreiten, um das festgestellte Problem theoretisch und methodologisch anzugehen; es wird eine makrohermeneutische Untersuchungsperspektive zur Diskussion gestellt, die der Sprache nichtsprachlicher Praxis nachspürt." (Textauszug, IAB-Doku)
Cite article
Gottwald, M. (2016): Die Sprache nichtsprachlicher Praxis. Eine makrohermeneutische Perspektive. In: J. Raab & R. Keller (Hrsg.) (2016): Wissensforschung - Forschungswissen : Beiträge und Debatten zum 1. Sektionskongress der Wissenssoziologie, p. 611-622.