Reziprozität und Ökonomie
Abstract
"In dieser Arbeit zeigen wir mit Hilfe von Methoden der experimentellen Wirtschaftsforschung, dass im Gegensatz zur Eigennutzannahme viele Menschen durch Reziprozität motiviert sind. Wir diskutieren auch die Bedeutung dieser Beobachtung für das Verständnis von wichtigen Arbeitsmarktfragen. Unter Reziprozität verstehen wir die Tendenz vieler Menschen, freundliche Handlungen ebenso zu erwidern. Diese Einstellung kann also positive Reziprozität bezeichnet werden. Es gibt allerdings auch das Phänomen der negativen Reiziprozität, worunter man die Bereitschaft versteht, Kosten auf sich zu nehmen, um eine als feindselig betrachtet Handlung zu bestrafen. Menschen, die reziprok motiviert sind, bezeichnen wir als "homo reciprocans". Wir zeigen anhand verschiedener Forschungsergebnisse auf, dass das Verhalten vieler Menschen demjenigen des "homo reciprocans" entspricht. Allerdings gibt es auch den klassischen "homo oeconomicus", welcher sich nur für seine eigenen Vorteile interessiert. Im Hauptteil der Arbeit diskutieren wir dann die Bedeutung dieser Beobachtungen für wichtige Arbeitsmarktfragen. So zeigen wir beispielsweise, dass Reziprozität positive Lohn-Leistungsbeziehungen hervorbringen kann, wie dies von der Gift-exchange Variante der Effizienzlohntheorie postuliert wird. Wir weisen auch nach, dass Reziprozität für endogene Lohnstarrheiten verantwortlich sein kann, welche nicht auf mangelnde Konkurrenz oder verzerrende regulatorische Eingriffe zurückzuführen sind. Reszprozitätsbasierte Motive der Gewinnbeteiligung können auch nichtkompensierende Lohndifferenziale erklären. Somit zeigt sich, dass verschiedene Arbeitsmarktphänomene durch die Berücksichtigung von Reziprozität erklärt werden können, welche aus einer reinen Eigennutzannahme nur schwerlich erklärbar sind." (Autorenreferat, IAB-Doku)
Cite article
Fehr, E. & Gächter, S. (2002): Reziprozität und Ökonomie. Implikationen reziproken Verhaltens für den Arbeitsmarkt. In: U. Blien & J. Möller (Hrsg.) (2002): Europäische Arbeitsmärkte und Arbeitsmarkttheorie : Beiträge zur 11. Jahreskonferenz der European Association of Labour Economists (EALE) in Regensburg (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 254), p. 57-75.