Sozio-kulturelle Grundlagen der Entwicklung der Teilzeitarbeit in Europa
Abstract
Im Rahmen eines finnisch-westdeutschen Vergleichs versucht die Autorin die Bedeutung der sozialen und kulturellen Normen und Werte bei der Erklärung im internationalen Vergleich der unterschiedlichen Entwicklung von Teilzeitarbeit zu analysieren. In Deutschland liegt der Anteil der in Teilzeit arbeitenden Frauen bei etwa einem Drittel und ist damit nahezu dreimal so hoch wie in Finnland. Auf nationaler Ebene wurden in Deutschland bisher überwiegend ökonomische und institutionelle Rahmenbedingungen, wie die Arbeitsmarktentwicklung und die Familienpolitik zur Erklärung des starken Anstiegs der Teilzeitquote ins Feld geführt. Die Autorin dagegen baut ihre Analyse auf der These auf, "daß es unterschiedliche sozio-kulturelle Grundlagen für die Erwerbstätigkeit von Frauen gibt. Hierbei ist der Konsens über das Verhältnis der Geschlechter in dem jeweils vorherrschenden Familienmodell von zentraler Bedeutung. So basiert nach Meinung der Autorin auch die unterschiedliche Entwicklung der Teilzeitarbeit in Finnland und in Westdeutschland auf der Verschiedenartigkeit der zugrundeliegenden Familienmodelle: In Westdeutschland wurde das traditionelle Modell der Versorgerehe abgelöst durch die "modernisierte Versorgerehe", in der die Teilzeitarbeit ein wesentliches Element darstellt. Diese Familienform unterscheidet sich grundlegend von der finnischen Variante - einer auf Vollzeitarbeit angelegten Doppelverdiener-Ehe -, in der das Zusammenleben autonomer gleichberechtigter Individuen stärker in Vordergrund steht." Die Entstehungsursache dieser Differenzen sieht die Autorin in den verschiedenen Übergängen von der Agrar- zur Industriegesellschaft in den beiden untersuchten Ländern. Kulturelle Diskontinuität - gekennzeichnet durch einen seit Mitte des 19. Jahrhunders schnell voranschreitenden Transformationsprozeß, der gewachsene soziale Strukturen zerstörte und neue kulturelle Leitbilder hervorbrachte - steht für die westdeutsche Entwicklung. Kulturelle Kontinuität - aufgrund einer später einsetzenden und bis in die 50er Jahre dieses Jahrhunderts hinreichenden industriellen Entwicklung unter Beibehaltung wesentlicher Elemente der sozialen Ordnung der Agrargesellschaft - prägt die finnische Situation. Diese unterschiedlichen Verläufe führten zur Ausprägung verschiedenartiger Familienleitbilder." (IAB2)
Cite article
Pfau-Effinger, B. (1994): Sozio-kulturelle Grundlagen der Entwicklung der Teilzeitarbeit in Europa. Das Beispiel Finnland und West-Deutschland. In: P. Beckmann & G. Engelbrech (Hrsg.) (1994): Arbeitsmarkt für Frauen 2000 - Ein Schritt vor oder ein Schritt zurück? Kompendium zur Erwerbstätigkeit von Frauen (Beiträge zur Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 179), p. 727-750.