Faktursubstitution durch Änderung der Faktorpreisrelation?
Abstract
"An der Frage, ob die Faktorkombination von der Faktorpreisrelation abhängt, entzündete sich zwischen keynesianischen und neoklassischen Theoretikern eine heftige kapitaltheoretische Kontroverse. Von beiden Seiten wurde dabei auf Erkenntnisse der österreichischen temporalen Kapitaltheorie zurückgegriffen. Dies war möglich, weil diese Theorie verschiedene Elemente enthält, die sie zu einer Synthese vereinigte, die sich aber auch gegeneinander kehren lassen. Es wird hier herauszuarbeiten versucht, worin die Besonderheit dieser kapitaltheoretischen Sicht liegt. Hierbei zeigt sich, daß die temporale Kapitaltheorie den Keim zur Infragestellung ihrer eigenen neoklassischen Elemente bereits in sich trägt. Die naive neoklassische und die temporale Kapitaltheorie unterscheiden sich in einem wesentlichen Punkt voneinander: Während von der naiven Theorie Arbeit und Kapital als zwei selbständig nebeneinander stehende Produktionsfaktoren betrachtet werden, wird von der temporalen Theorie Kapital, in dem sich für sie der Zeitaufwand der Produktion spiegelt, auf Arbeit zurückgeführt. In beiden Theorien ist jedoch die Faktorpreisrelation eine wichtige Determinante - allerdings nicht für die gleiche ökonomische Variable. Die Lohn-Zins-Relation bestimmt in der naiven neoklassischen Kapitaltheorie die Faktorkombination, in der temporalen Kapitaltheorie dagegen die Produktionsumwegslänge. Die Faktorkombination spiegelt sich in der Kapitalintensität, die Produktionsumwegslänge im Kapitalkoeffizienten. Die temporale Kapitaltheorie führt zu der Erkenntnis, daß die naive neoklassische Kapitaltheorie in ihrer Betrachtungsweise einer Täuschung unterliegt. Dies wird deutlich, wenn die Rolle des technischen Fortschritts analysiert wird. In der Sicht der temporalen Kapitaltheorie zieht der technische Fortschritt, sofern er die Umwegslänge konstant läßt, unmittelbar eine Erhöhung der Kapitalintensität nach sich. Dies ist nicht Folge einer Erhöhung der Lohn-Zins-Relation. Vielmehr paßt sich diese Relation den veränderten Umständen an, wenn die Kapitalintensität im Zuge des technischen Fortschritts zunimmt. Allerdings zeigt sich auch, daß die temporale Kapitaltheorie einen wichtigen Faktor vernachlässigt, wenn sie in der Faktorpreisrelation die entscheidende Determinante der Produktionsumwegslänge sieht. Wird der Risikofaktor grundsätzlicher in die Gedankengänge der temporalen Kapitaltheorie einbezogen, so sprengt das ihre neoklassischen Fesseln. Dies verhilft zu der Erkenntnis, daß der Einfluß der Faktorpreisliste überschätzt wird und die Produktionsumwegslänge nur in Ausnahmefällen von dieser Relation abhängen dürfte. Diese Schlußfolgerung geht über die ReswitchingThese der postkeynesischen Kapitaltheorie hinaus, die eine Variation der Produktionsverfahren als Folge von Änderungen der Faktorpreisrelation innerhalb eines bestimmten Bereichs zuläßt. In einer nicht mehr neoklassischen orientierten temporalen Kapitaltheorie erhalten auch Lohnsatzsteigerungen einen anderen Stellenwert. Dabei rückt ihr Kaufkraftaspekt mehr in den Vordergrund. Deutlich wird, daß Lohnsatzerhöhungen auf längere Sicht zumindest nicht unter dem Arbeitsproduktivitätsfortschritt liegen dürfen, soll es nicht zur Freisetzung von Arbeit durch den technischen Fortschritt kommen."
Cite article
Teschner, M. (1978): Faktursubstitution durch Änderung der Faktorpreisrelation? In: Mitteilungen aus der Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, Vol. 11, No. 3, p. 352-357.